1. Oktober 2024

Petra Harms

Ölziehen – so gesund ist es wirklich

Schlürfen, saugen, spucken: Ölziehen soll für weiße und gesündere Zähne sorgen und die Entgiftung des Körpers fördern. Was sagt die Wissenschaft dazu?

Kokosöl

@ Adobe Stock

Ölziehen soll die Zahngesundheit verbessern

Die 2000 Jahre alte indische Lehre des Ayurveda verwendet Öl für Stirngüsse, Tiefenmassagen und als Gandusha, das Ölziehen. Die Liste der Symptome und Krankheiten, die sich durch einen Esslöffel Ghee, Kokos- oder Sesamöl im Mund kurieren lassen sollen, ist lang und reicht von Asthma über Ekzeme und Herzprobleme bis zu Magengeschwüren und Rheuma.

 

Ölziehen – was ist das?

 

Heute schwören vor allem Menschen mit einer Affinität zu Morgenritualen und weißen Zähnen auf den Einsatz von Fett plus reichlich Mimik: Zehn bis 20 Minuten wird das Pflanzenöl im Mund bewegt, gekaut, durch das Gebiss gezogen, von linker gen rechte Backe gepresst und schließlich ausgespuckt.

 

Das Prozedere, so die Idee, dient vor allem als Prophylaxe gegen Karies, Parodontitis, Entzündung des Zahnfleisches und natürliche Alternative zum Bleaching. Ein Wunder? Oder eher Hype und Humbug?

 

Wissenschaftsjournalistin Dr. Mai Thi Nguyen-Kim hat auf ihrem YouTube-Kanal die Versprechen untersucht und sagt: „Es gibt zwar gesicherte Zusammenhänge zwischen Zahn- und Körpergesundheit: Parodontitis etwa geht mit einem erhöhten Risiko für Herzerkrankungen und Diabetes einher, weil Entzündungen im Mund auch den Körper belasten, Bakterien über die Blutbahn auch zu anderen Organen gelangen können. Allerdings gibt es bislang keine valide Studie, die einen positiven Effekt des Ölziehens auf andere Erkrankungen belegt.”

 

Was bewirkt Ölziehen?

 

Anders verhält es sich mit Benefits für den Mundraum. Die Annahme liegt nahe, dass die antioxidativen Eigenschaften der Öle – insbesondere Sesamöl mit seinem hohen Lignananteil – mit schlechten Bakterien interagieren und deren Wachstum verlangsamen und Zahnfleischentzündungen reduzieren.

 

Auch die viskose Eigenschaft des Öls spielt eine Rolle, weil es die Oberflächen beschichtet und so verhindert, dass sich Bakterien dort festsetzen und vermehren können. Hier gibt es immerhin einige, wenige randomisierte Studien, die die Wirkung auf Plaque und Zahnfleisch, Kariesbakterien (Streptococcus mutans) und Mundgeruch untersucht haben.

 

Ist Ölziehen wirklich gesund?

 

Und ja, Ölziehen verbessert ähnlich wie Mundwasser die Zahnhygiene. Aber: Die Teilnehmerzahl aller Studien lag jeweils nur zwischen 20 und 40 Probanden und die Untersuchungen wurden nur über einen kurzen Zeitraum durchgeführt. Sehr aussagekräftig ist das nicht.

 

Und, da sind sich Wissenschaftler und Zahnärzte einig, Ölziehen schadet zwar keinesfalls, ist aber auch keine Alternative zum Zähneputzen. Dr. Hans Lutz, Zahnarzt in München warnt: „Ölziehen ersetzt keinesfalls Zahnbürste und Floss, sondern ist lediglich eine Ergänzung.”

 

Macht Ölziehen die Zähne weiß?

 

Aber werden Zähne immerhin weiß durch die Öl-Kur? Auch da gibt es keine wissenschaftlichen Beweise. Nur eines ist sicher: Fette verursachen auf Dauer immerhin keine weiteren Verfärbungen wie Mundspülungen mit Chlorhexidin. Vielleicht kann man das Ölziehen einfach als Gesichtsyoga deklarieren und morgens die Muskulatur trainieren? Der musculus risorius, der Lachmuskel, profitiert auf jeden Fall.

Mehr zum Thema