5. März 2023

Judith Cyriax

Green Beauty – Kosmetik ohne Mikroplastik, Mineralöle & Sulfate

Mikroplastik, Mineralöle, Sulfate … – die längste Zeit war Kosmetik der reinste Chemie-Cocktail. Doch die Zeiten ändern sich. Clean Tech bringt die Natur zurück in die Pflege

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Allein in Deutschland verzeichnet die sogenannte Green Beauty einen nicht enden wollenden Aufstieg. Laut Statistica hat sich der Umsatz von Naturkosmetik im vergangenen Jahrzehnt etwa verdoppelt – auf knapp 1,5 Milliarden Euro im Jahr 2021. Der Markt für natürliche und biologische Pflegeprodukte wächst somit fast doppelt so schnell wie der gesamte Kosmetikmarkt. Mittlerweile wählt sogar jede:r sechste Deutsche naturnahe oder biozertifizierte Naturkosmetik.

 

Die Gründe? Mit Sicherheit ein wachsendes Umweltbewusstsein, aber auch Selfcare: Die Auswirkungen des in vielen Produkten enthaltenen Mikroplastiks in Meer, Grundwasser und menschlichem Körper sowie die Zunahme von durch Inhaltsstoffe verursachten Allergien haben das Konsumverhalten massiv verändert. Immer mehr fällt die Wahl beim Kauf auf Produkte, die weder Organismus noch Umwelt belasten und die auch ethisch unbedenklich sind.

 

 

Clean Beauty: Kosmetik ohne problematische Inhaltsstoffe

 

Immer mehr Produzent:innen konzipieren ihre Pflegelinien nach dem Aspekt der „Clean Beauty“ – das Prinzip der sauberen Kosmetik: Die Hersteller:innen verzichten auf problematische Inhaltsstoffe, die der Umwelt schaden und sich negativ auf die Gesundheit auswirken können. Allein durch den Verbrauch von paraffinhaltigen Kosmetikprodukten wandern laut Utopia.de, der Community für strategischen Konsum und nachhaltigen Lebensstil, jährlich Zehntausende Tonnen Mineralöl in den Abfluss und somit in die Umwelt. Das Paradoxe daran: Paraffine haben keinerlei Pflegewirkung für die Haut, sondern schützen nur vor Feuchtigkeitsverlust. Infolgedessen forschen immer mehr Kosmetiklabore nach pflanzlichen Ersatzstoffen in der Natur, die umstrittene Substanzen ersetzen können. Und nicht selten halten die gefundenen Naturstoffe noch mehr Vorteile für die Haut bereit.

 

Auch die häufig sehr aufwendige Verpackung sollte den Ansprüchen der „Clean Beauty“ genügen. So verwendet Grown Alchemist aus Australien schon seit seiner Gründung 2008 nur bernsteinfarbene Glasflaschen und PET, das am meisten recycelte Verpackungsmaterial aus Kunststoff. Zusätzlich sorgen von innen verkleidete Aluminiumverpackungen (ebenfalls recycelt) dafür, dass die reinen Zutaten nicht durch Sonneneinstrahlung, Luft oder Chemikalien verunreinigt werden.

 

Die deutsche Naturkosmetiklinie Susanne Kaufmann setzt seit 2022 bei einigen Produkten auf ein ausgeklügeltes Refill Konzept: Die Nachfüllverpackungen bestehen aus 75 Prozent recyceltem „post-consumer material“ und sind wiederum zu 100 Prozent recycelbar. Die intelligent designten Refills benötigen keinen Verschluss, dadurch werden der Materialeinsatz und die Vielzahl der eingesetzten Kunststoffe reduziert.

„Der Markt für natürliche Pflegeprodukte wächst fast doppelt so schnell wie der gesamte Kosmetikmarkt”

Natur aus dem Hightech-Labor: Green Beauty von Luxuskosmetikmarken

 

Nicht nur traditionelle Naturkosmetikhersteller setzen auf die grüne Kraft. Auch immer mehr Luxuskosmetikmarken suchen für ihre Pflegeprodukte Wirkstoffe in der heimischen, aber auch in der exotischen Pflanzenwelt und holen mithilfe von High-tech-Verfahren das Beste aus Blüte, Blatt und Wurzel. Meist geschieht das im momentan bevorzugten Clean-Tech-Verfahren. Dabei werden Substanzen aus der Natur, die sich als besonders effektiv für eine gepflegte und gesunde Haut erwiesen haben, im Labor chemisch aufbereitet und optimiert. Es geht vor allem darum, die Molekülgröße der Naturstoffe mit High-tech-Verfahren so zu reduzieren, dass die Wirkstoffe besonders tief in die Haut eindringen können, um bestmöglich zu wirken.

 

Mithilfe von Clean-Tech gelingt es aber auch immer öfter, Pflanzenstoffe identisch in ihrem molekularen Aufbau synthetisch nachzubauen. Diese Vorgehensweise hat neben dem geringeren Raubbau an der Natur den Vorteil, dass natürliche Substanzen in ihrer Wirkung potenziert werden können. Bestandteile, die allergische Reaktionen hervorrufen können, werden dabei herausgelöst, beispielsweise ätherische Öle. Zu den momentan erfolgreichsten Beauty-Labels mit Clean-Tech-Formulierungen zählt das spanische Unternehmen Sepai, das mit einem Mix aus Bio- und Molekulartechnologie hochwirksame Anti-Aging-Produkte entwickelt.

 

Doch auch andere effiziente Labormethoden gehen besonders schonend mit der Pflanzenwelt um. Chanel verwendet zum Beispiel seit 2006 das Spezialverfahren der Poly-Fraktionierung: Aktive Pflanzenmoleküle können, ohne dass die Pflanze gepflückt oder geerntet wird, isoliert werden, um sie dann in Cremes, Seren & Co. einzuarbeiten.

 

 

Grüner Pflegetrend: feste Kosmetik

 

Ein weiterer grüner Pflegetrend mit Zukunftspotential ist die Herstellung von fester Kosmetik. Mit dem klassischen Seifenstück wäscht man sich schon seit mehr als 1000 Jahren. Mittlerweile verlassen immer mehr Haar- und Körperpflegeprodukte ihre flüssige Form und präsentieren sich als feste Handstücke. Diese angesagte wasserfreie Kosmetik ist besonders umweltschonend. Schließlich hilft sie, den Abfallberg der globalen Kosmetikindustrie nachhaltig zu verkleinern. Ein Beispiel: Ein 100-Gramm-Stück Shampoo ersetzt drei Shampoo- Flaschen à 250 Milliliter.

 

Bei der Gesichtspflege ist man mit der „trockenen“ Alternative noch nicht ganz so weit, da es äußerst schwierig ist, feuchtigkeitsspendende Wirkstoffe in wasserfreien Rezepturen zu verarbeiten. Hier gibt es aber andere effiziente Lösungen: Ganz hoch im Kurs stehen sogenannte Pflanzenwasser. Anders als „normales“ Wasser hydrieren sie effektiver und sind reich an Nährstoffen. Die naturnahe Pflegelinie WASO des japanischen Beauty-Konzerns Shiseido nutzt, um kostbare Wasserressourcen zu schonen, wiederaufbereitetes Wasser aus der Herstellung von Apfelsaft. Weitere beliebte Flüssigkeiten im Einsatz für die Schönheit sind Kokos-, Birken- und Orangenblütenwasser sowie der Saft der Aloe Vera.

Judith Cyriax

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