Sport kann in der Menopause Beschwerden lindern, die Lebensqualität deutlich steigern und das Risiko für Herzkreislauf- und Stoffwechselerkrankungen und Brustkrebs senken
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Hinter dem Begriff Menopause verbirgt sich der größte Veränderungsprozess des weiblichen Körpers – er beeinflusst den gesamten Organismus und stellt Frauen vor diverse Herausforderungen. Während viele in dieser Phase dazu neigen, Sport und Workouts zu vernachlässigen, zahlt genau das Gegenteil nachhaltig auf die Gesundheit ein, so Dr. Sabrina Vollrath.
Die Schweizerin ist Expertin für Frauenphysiologie, Fachärztin und Oberärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe am Inselspital in Bern, wo sie auf Frauenhormone und Kinderwunsch spezialisiert ist. Seit vielen Jahren erforscht die 36-jährige den Effekt von Sport auf weibliche Geschlechtshormone und gründete, gemeinsam mit anderen Gynäkologinnen, Gynsports.ch, eine digitale Plattform, ein Netzwerk und eine Anlaufstelle, die Athletinnen zum Thema Frauengesundheit im Sport berät.
Die Menopause gilt als besonders herausfordernde Zeit, fangen wir mit etwas Positivem an: Man kann den eigenen Körper in dieser Phase gut unterstützen, nämlich mit Sport. Warum sollten alle Frauen in den Wechseljahren ihr Aktivitätslevel hoch- und nicht runterfahren?
Sport hat einen enormen Effekt auf den weiblichen Körper während und nach den Wechseljahren. Regelmäßige Sporteinheiten helfen, den Blutzuckerspiegel zu stabilisieren und ungünstige Marker wie Cholesterin zu senken. Sie mindern die Intensität von Hitzewallungen und senken das Risiko für Brustkrebs um 21 Prozent.
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Zudem wird die Fettverbrennung angeregt, die Knochendichte gestärkt und chronischen Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck und Übergewicht vorgebeugt. Gleichzeitig verbessert sich die Schlafqualität, und chronische Rückenschmerzen können sich verbessern.
Das hört sich absolut fantastisch an! Damit wir alle auf demselben Wissensstand sind: Was versteht man medizinisch eigentlich unter der Menopause?
Die letzte Regelblutung im Leben einer Frau wird als Menopause bezeichnet. Die Phase vor der letzten Menstruation nennt man Prämenopause, die Zeit danach Postmenopause. Durch das Versiegen der Eierstockfunktion, im Durchschnitt passiert das im 51. Lebensjahr, kommt der bisher regelmäßige Menstruationszyklus zum Erliegen.
Gleichzeitig verändert sich die Hormonlage: Die Spiegel der weiblichen Geschlechtshormone im Blut sinken. Diese hormonelle Umstellung beginnt bereits vor der letzten Regelblutung und führt zu den sogenannten „Wechseljahresbeschwerden“.
Zum Beispiel Hitzewallungen und Gefühlsschwankungen. Doch sind das “nur Begleiterscheinungen”, der gesamte Körper durchlebt eine enorme Veränderung und das liegt vor allem an den Hormonen. Was genau passiert mit dem weiblichen Körper?
Der Abfall der weiblichen Geschlechtshormone, insbesondere des Östradiols, was zu den Östrogenen gehört, beeinflusst den gesamten Körper. Zum einen steigt das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, aber auch für Osteoporose: Der Östrogenabfall, der in der menopausalen Transition beginnt, markiert die kritische Phase mit einer Einbusse der Knochenmatrix.
„Der Abfall der weiblichen Geschlechtshormone beeinflusst den gesamten Körper“
Frauen verlieren in den drei Jahren rund um die Menopause durchschnittlich 2,5 Prozent ihrer Knochendichte im Lendenwirbelbereich und 1,8 Prozent im Oberschenkelhals pro Jahr. Zudem reduziert sich auch der Ruheenergieverbrauch.
Um dem Knochenabbau entgegenzuwirken und eine übermäßige Gewichtszunahme zu verhindern, sind vermehrte körperliche Aktivität und gegebenenfalls auch Anpassungen bei der Energiezufuhr notwendig. Außerdem verändert sich auch die Körperzusammensetzung.
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Was genau bedeutet das?
In der menopausalen Transition sinkt die Fettoxidationsrate deutlich, während die Kohlenhydratoxidation konstant bleibt. Bedeutet: Der Körper verbrennt weniger Fett zur Energiegewinnung. Das kann die gesamte Fettverbrennung verlangsamen und mindert die Fähigkeit Fettreserven abzubauen, insbesondere wenn die Kalorienzufuhr konstant bleibt.
Viele Frauen stellen in den Wechseljahren fest, dass sie vor allem in der Bauchregion zunehmen. Welche Rolle spielt dabei der veränderte Hormonhaushalt?
Der Rückgang der weiblichen Geschlechtshormone beeinflusst auch den Fettstoffwechsel und die Verteilung des Körperfetts. Mit dem Absinken der Östrogenspiegel kann es zu einer verstärkten Ansammlung von Fett im Bauchbereich kommen. Das erhöht das Risiko für Herzkreislauf- und Stoffwechselerkrankungen. Auch aus diesem Grund ist es in den Wechseljahren besonders wichtig, dass Frauen ihre sportliche Aktivität erhöhen.
Welche Sportarten eignen sich besonders gut, um den Körper in dieser Phase zu unterstützen?
Das lässt sich nicht pauschal sagen. Viel wichtiger ist ein ganzheitliches Trainingskonzept. Regelmäßiges, moderates Ausdauertraining, etwa Joggen, Radfahren, Schwimmen oder Wandern, stärkt das Herz-Kreislaufsystem und regt den Fettstoffwechsel an.
„Mit dem Absinken der Östrogenspiegel kann es zu einer verstärkten Ansammlung von Fett im Bauchbereich kommen“
Auch Intervalltraining kann hilfreich sein, um den Blutdruck zu normalisieren. Zusätzlich ist Krafttraining entscheidend, um Muskel- und Knochenmasse zu erhalten, was ebenfalls den Stoffwechsel ankurbelt. Parallel dazu sollte man regelmäßig an der Koordination und Beweglichkeit arbeiten. Yoga, Pilates oder Tanzen sind hier besonders geeignet.
Und wie oft sollte man trainieren?
Grundsätzlich spielt es keine Rolle, ob eine Frau vor oder nach der Menopause steht – das Motto bleibt: „Wer rastet, der rostet“. Regelmäßige körperliche Aktivität ist entscheidend, um die positiven Effekte des Sports aufrechtzuerhalten. Ohne sie steigt das Risiko für Gewichtszunahme und ungünstige Stoffwechselveränderungen, die langfristig der Gesundheit schaden können.
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Daher empfiehlt die WHO, unabhängig vom Menopausenstatus, mindestens fünfmal pro Woche 30 Minuten körperlich aktiv zu sein. Natürlich sollte das Training stets an das Individuum und seine körperliche Gesundheit angepasst werden. Bei sportlich aktiven Frauen in den Wechseljahren ist es außerdem sinnvoll, auf eine ausreichende Proteinzufuhr zu achten, um den Erhalt von Muskel- und Knochenmasse zu unterstützen.
Sie sprachen vorhin darüber, dass das Osteoporose-Risiko während der Menopause zunimmt. Würden Sie empfehlen, auf bestimmte Sportarten zu verzichten?
Frauen mit normaler oder leicht erniedrigter Knochendichte dürfen und sollten uneingeschränkt alle Sportarten betreiben, um den weiteren Knochenverlust zu minimieren und die Knochen zu stärken. Bei einem erhöhten Frakturrisiko ist es sinnvoll, vor Trainingsbeginn mit dem behandelnden Rheumatologen Rücksprache zu halten, um ein massgeschneidertes Trainingsprogramm in Zusammenarbeit mit einem Sporttherapeuten zu erarbeiten.
Neben einem Mix verschiedener Sportarten und regelmäßigen Trainingseinheiten: Was ist aus Ihrer Sicht das Wichtigste, wenn es um Sport in der Menopause geht?
Dranbleiben und ein konsequentes Trainingsprogramm verfolgen. Ganz nach dem Motto “steter Tropfen höhlt den Stein”. Besonders Frauen rund um die Wechseljahre sollten bezüglich Sport einen Gang hochzuschalten, um dem lahmenden Stoffwechsel, bedingt durch den Östrogenabfall, erfolgreich entgegenzuwirken. Nur so kann man das Körpergewicht stabil halten, was wiederum mit Gesundheit und Wohlbefinden einhergeht.
Sie sind selbst ehemalige Leistungssportlerin und leisten beim Thema Frauengesundheit und Sport ein Pionierarbeit. Warum liegt Ihnen dieses so am Herzen?
Es gibt immer noch zahlreiche offene Fragen, insbesondere zu den Wechselwirkungen zwischen Hormonen und sportlicher Leistung sowie zu Schwangerschaft und Training. Ich möchte dazu beitragen, diese Wissenslücken durch Aufklärung und wissenschaftliche Arbeit zu schließen, um Frauen im Sport gezielt zu unterstützen.
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