10. November 2024
Marianne von Waldenfels
In ihrem Buch „Somebody told me“ beschreiben Susanne Liedtke und Dr. Christina Enzmann unter anderem, warum Ernährung ein Schlüssel für mehr Wohlbefinden und Energie in den Wechseljahren sein kann
@ Helen Fischer
Ab 40 können bei den meisten Frauen die ersten Symptome der Wechseljahre einsetzen. Dazu zählen Hitzewallungen, Blasenschwäche, Herzrasen, Schlafstörungen und Depressionen. Was hilft gegen diese Beschwerden und was können wir selbst tun, um unsere Gesundheit positiv zu beeinflussen und gut durch diese Phase zu kommen?
Darüber haben Susanne Liedtke, Ernährungsexpertin und Gründerin von NOBODYTOLDME, einer Plattform für Frauen (nicht nur) in den Wechseljahren und die Gynäkologin Dr. Christina Enzmann, die seit 2003 in den USA arbeitet und forscht, ein sehr offenes und informatives Buch geschrieben. Ein wichtiger Hebel liegt zum Beispiel in der Ernährung.
Ihr Buch heißt „Somebody told me“ – bei wem oder wo haben Sie sich informiert, was es bedeutet, in die Wechseljahre zu kommen?
Dr. Christina Enzmann: Ich bin nicht nur Gynäkologin, sondern auch Mitglied der Nordamerikanischen Menopause Society und so sehe ich täglich auch Patientinnen und bin tief im Thema.
Warum sind die Wechseljahre immer noch oft ein Tabuthema?
Susanne Liedtke: Die Wechseljahre sind verbunden mit dem Rückgang der Fruchtbarkeit, mit dem Älterwerden und mit dem vermeintlichen Verblühen der Schönheit der Frauen. Auf einmal sind da Falten, das ein oder andere graue Haar und Rundungen, wo zuvor eine schmale Taille war.
In unserer westlich geprägten Gesellschaft ist das sehr negativ besetzt. Davon zeugt ja auch, dass wir “Anti-Ageing”-Produkte kaufen. Wir wollen alle alt werden, aber niemand möchte sich alt fühlen oder von anderen als alt wahrgenommen werden. In der Lebensmittel werden wir nun zum ersten Mal damit am eigenen Leib konfrontiert.
Wenn das allgemein gängige Schönheitsideal einem jugendlichen Körper mit perfekten Maßen entspricht und das Älterwerden gesellschaftlich nie als Zugewinn betrachtet wurde, warum sollten wir uns dann gerne damit outen? Also sprechen wir einfach nicht darüber.
Welche Rolle spielt die Ernährung in den Wechseljahren und wie sollten wir sie umstellen, damit es uns besser geht?
Susanne Liedtke: Ernährung ist der größte unterschätzte Hebel für Frauen in den Wechseljahren, es ist sicher nicht der einzige, aber Ernährung spielt eine wichtige Rolle. Wenn wir uns so ernähren, dass unser Blutzuckerspiegel stabil ist, unser Mikrobiom gesund ist, und dass stille Entzündungen eingedämmt werden bzw. gar nicht erst auftreten, dann ist dies eine große Unterstützung für diese Lebensphase.
Wir empfehlen daher täglich das Essen von 500 Gramm Gemüse, von ballaststoff- und proteinreichen Hülsenfrüchten, von Obst, Nüssen, Saaten, Gewürzen, Pseudogetreiden und Hafer. Und wir raten dazu Zuckerhaltiges, tierische Fette wie wir sie in Wurst und Käse vorfinden, Backwaren und Nudeln aus Weißmehlen, Frittiertes sowie Alkohol ganz stark einzuschränken.
Warum nehmen manche Frauen in den Wechseljahren zu?
Susanne Liedtke: Während der Wechseljahre sinkt u.a. die Produktion des Hormons Östrogen. Dies kann zu den bekannten Hitzewallungen führen, aber auch zu Gewichtszunahme, insbesondere im Bauchraum, da der Stoffwechsel sich verlangsamt und sich die Insulinresistenz erhöht.
Das ist ein verlangsamtes Ansprechen der Zellen auf Insulin, so dass wir hohe Blutzuckerspiegel haben. Und dadurch kommt es zum Umbau von Glukose in Fett, welches dann im Bauchraum abgelegt wird.
Hinzu kommt, dass sich auch die Körperzusammensetzung ändert: der Körperfettanteil erhöht sich zulasten des Muskelanteils. Dadurch sinkt unser Grundumsatz, heißt: wir benötigen im Ruhezustand weniger Energie.
Welche Vitamine und Mineralstoffe sind in den Wechseljahren besonders wichtig?
Dr. Christina Enzmann: Meine zwei Hauptempfehlungen sind: Magnesium: da es für über 300 enzymatische Prozesse im Körper gebraucht wird, besonders im Nervensystem, bei Stress, für die Muskelfunktion und die Blutzuckerregulierung. Vitamin B Komplex: Er ist essentiell für Energie und Wohlbefinden, Gehirnfunktion und die Förderung der Zellgesundheit und umfasst acht B-Vitamine – wie B1 (Thiamin), B6 (Pyridoxin) und B12 (Cobalamin) – von denen jedes eine einzigartige Rolle im Stoffwechsel, bei der Bildung roter Blutkörperchen und bei der Unterstützung des Nervensystems spielt.
Gemeinsam helfen sie dabei, Nahrung in Energie umzuwandeln, die Immunfunktion zu stärken und die allgemeine Herz-Kreislauf- und mentale Gesundheit zu unterstützen.
Was sind die Prinzipien der „Body Re:set“?
Susanne Liedtke: Das Wichtigste vorab: Ein Body Reset ist eine Ernährungsumstellung und keine Diät. Es werden keine Kalorien gezählt und auch so gut wie nichts abgewogen, trotzdem verlieren viele Frauen an unliebsamen Pfunden.
WENIGER STATT MEHR: Über einen Zeitraum von nur 21 Tagen lernen Frauen, störende Einflüsse wegzulassen: Alkohol, rotes Fleisch, Zucker, Milchprodukte, Koffein, Gluten, Fruchtzucker und Umweltgifte.
SCHRITT FÜR SCHRITT: Statt auf einmal alles wegzulassen, geht es hier schrittweise und das macht es leichter. Das Grundprinzip ist wie folgt: alle 3 Tage ersetzen die Frauen ungesunde durch gesunde Lebensmittel, so dass am Ende der drei Wochen nur noch Gutes in den Körper aufgenommen wird.
GEMEINSAM STATT ALLEIN: Es gibt die Möglichkeit, sich mit anderen interessierten Frauen auszutauschen. Und manchen Frauen hat gerade dieser Austausch sehr geholfen, dranzubleiben.
@ Pompi
Welchen Zusammenhang gibt es zwischen bestimmten Lebensmitteln und dem Hormonstoffwechsel der Frau in den Wechseljahren?
Da gibt es viele. Ballaststoffe sind unfassbar wichtig für einen gesunden Östrogenstoffwechsel. Sie ernähren unsere Darmbakterien, von denen ein Teil Östrogene “wiederbeleben” kann. Sollte der Östrogenspiegel mal gefährlich niedrig laufen, dann recyclen diese Darmbakterien einfach, was sie an inaktiven Östrogenen im Darm finden, reaktivieren sie und schicken sie zurück in den Blutkreislauf.
Sollte aber zu viel Östrogen im Körper sein, was bei Frauen in der Perimenopause häufiger vorkommen kann, dann sorgen die Ballaststoffe auch dafür, dass die Hormone mit dem Stuhl ausgeschieden werden, einfach weil es weniger Kontakt mit der Darmwand gab. Da ist also ein perfektes Teamwork im Gange, was die Hormone in der Balance hält.
Ein chronisch erhöhter Blutzuckerspiegel kann durch verschiedene Mechanismen zu einem Ungleichgewicht im Östrogenstoffwechsel führen. Das hängt mit einem erhöhten Insulinspiegel zusammen, der dann auf Dauer zur Insulinresistenz führen kann. Auch der Spiegel an “männlichen” Hormonen – den Androgenen – wird beeinflusst.
So kann es bei dauerhaft erhöhten Insulinspiegeln zu einer vermehrten Produktion von Testosteron in den Eierstöcken kommen. Dieses hormonelle Ungleichgewicht kann zu unregelmäßigen Zyklen, Akne und übermäßiger Körperbehaarung führen.
Daher empfehlen wir, die Kohlenhydrate weise auszuwählen: Gute Kohlenhydratlieferanten kommen immer in Kombination mit Ballaststoffen, Proteinen und Fetten daher, weshalb Hülsenfrüchte vor Kartoffeln, Reis, Mais und Weißmehlen zu bevorzugen sind. Auch Wurzelgemüse, Vollkorn- und Pseudogetreide liefern komplexe Kohlenhydrate: zum, Beispiel in Form von Roter Bete, Karotten oder Süßkartoffeln, Haferkörnern, Quinoa, Buchweizen und Amaranth.
Last not least: Das Trinken von koffeinhaltigen Lebensmitteln kann zu einer höheren Ausschüttung von Cortisol führen, außerdem wirkt es sich bei dafür empfindlichen Frauen auf die Schlafqualität aus.
Was kann man gegen Stimmungsschwankungen in den Wechseljahren tun?
Dr. Christina Enzmann: Eine Supplementierung mit Progesteron in der Perimenopause kann in dieser Phase hilfreich sein, wenn Frauen noch eine Regelblutung haben. Auch Magnesium, wie bereits erwähnt, sowie ein Vitamin-B-Komplex können unterstützend wirken. Diese Nährstoffe helfen, das Nervensystem zu stabilisieren, die Energieproduktion zu fördern und Stress abzubauen, was zu einer verbesserten Stimmung beitragen kann.
Es gibt auch einige Probiotika, die hilfreich sein können: Bestimmte Probiotika, die als Psychobiotika bekannt sind, können die Stimmung positiv beeinflussen, da sie das Mikrobiom unterstützen und die Darm-Hirn-Achse beeinflussen. Dazu gehören besonders Lactobacillus rhamnosus und Bifidobacterium longum, die in Studien gezeigt haben, dass sie Angst und Stress reduzieren können.
Auch Lactobacillus helveticus und Bifidobacterium bifidum sind hilfreich, da sie die Produktion von Neurotransmittern wie Serotonin fördern, das als „Glückshormon“ bekannt ist. Probiotika mit diesen Stämmen können helfen, Stimmungsschwankungen zu lindern und das allgemeine Wohlbefinden zu verbessern.