31. Oktober 2024

Birgitta Dunckel

Dieses Gen beeinflusst, wie lange wir leben

Wie alt wir werden hängt nicht nur mit unserer Lebensweise zusammen. Auch Gene können sich positiv darauf auswirken. Das Steinzeit-Gen ApoE spielt dabei eine wichtige Rolle

Gene

@ Google Deep Mind

Das Langlebigkeits-Gen ApoE2 wurde in der Steinzeit nach Europa gebracht

Das Thema Langlebigkeit ist in aller Munde. Weltweit forschen Wissenschaftler an der Genetik der Longevity und Jahr für Jahr erlangen sie neue Erkenntnisse – doch bisher ist nur eines sicher: Es gibt nicht das eine Langlebigkeitsgen, das die individuelle Lebenserwartung bestimmt. Es geht vielmehr um eine Vielzahl von Genen, um deren komplexes Zusammenspiel – und um einen gesunden Lebensstil plus Umwelteinflüsse.

 

Langlebigkeitsgen: Varianten des ApoE-Gens im Fokus

 

Eine der wenigen bisher gesicherten genetischen Einflussgrößen der Langlebigkeit ist das Apolipoprotein-E-Gen (ApoE), das unter anderem im Gehirn die Nervenzellen mit Nährstoffen versorgt. Eine Forschungsgruppe unter der Leitung der Professorin Almut Nebel der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel untersuchte die Evolutionsgeschichte dieses Gens. Sie analysierte Daten aus bis zu 12.000 Jahre alten menschlichen Skeletten und kam zu dem Schluss: Das genetische Erbe aus der Steinzeit beeinflusst noch heute die Chance auf ein langes, gesundes Leben.

 

Für die Langlebigkeit sind demnach die drei Varianten ApoE2, ApoE3 und ApoE4 relevant. Während die vierte Variante mit einem sehr hohen Risiko für Alzheimererkrankungen verbunden ist und die Lebenserwartung verkürzen kann, erhöht ApoE2 die Chance auf ein langes Leben und wird deshalb auch als Langlebigkeitsgen bezeichnet. ApoE3 gilt als neutral.

 

Das Steinzeit-Gen ApoE2 kann den Healthspan verlängern

 

Jäger und Sammler der Steinzeit wiesen besonders häufig – rund 40 Prozent von ihnen – die schädliche vierte Variante auf, während die günstige zweite Variante bei ihnen nicht nachweisbar war. Da sie aber täglich lange Strecken zu Fuß zurückgelegt haben, sind sie der schlechten genetischen Veranlagung quasi davongelaufen. Auch die Ergebnisse verschiedener Forschungen zeigen, dass ein gesunde Ernährung und viel Bewegung das Risiko von ApoE4-Trägern, an Alzheimer zu erkranken, verringern kann.

 

Innerhalb Europas nimmt die Häufigkeit der ApoE4-Variante von Norden (22 Prozent) nach Süden (6 Prozent) deutlich ab. Während 70 Prozent der Bevölkerung die neutrale Variante innehaben, ist die günstige ApoE2-Variante bei maximal 12 Prozent zu finden. Die heutige Verteilung der Varianten in Europa ist vor allem durch zwei große Einwanderungen vor 7.500 und 4.800 Jahren entstanden, fand die Forschungsgruppe unter Professorin Nebel heraus.

 

Zuwanderung begünstigte den ApoE-Genpool

 

Die erste Veränderung bewirkten die aus Anatolien einwandernden jungsteinzeitlichen Bauern. Sie trugen fast kein ApoE4 und brachten erstmals das günstige ApoE2-Gen nach Europa. Die zweite Veränderung kam mit dem Einstrom der Steppennomaden in der Bronzezeit. Sie hatten zwar einen höheren ApoE4-Anteil als die ersten Bauern, aber auch deutlich mehr von der Langlebigkeitsvariante ApoE2 und etablierten sie maßgeblich in Europa.

 

Auch anhand dieser Untersuchungen des Apolipoprotein-E-Gens sieht man, wie evolutionsbiologische Forschungsansätze für viele unserer heutigen Herausforderungen relevant sind.

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