5. Februar 2025
Christine Bürg
Medizin, Genussmittel, Pflegeprodukt – die neueste, erstaunlich weltliche Karriere von Weihrauch
@ Tetyana Kovyrina
Schon seine Erwähnung wird häufig mit einem Naserümpfen quittiert und weckt Erinnerungen an rauchgeschwängerte religiöse Zeremonien. Doch nur die wenigsten wissen, dass Weihrauch eine faszinierende Geschichte und heilende Kräfte hat – oder dass man ihn sogar essen kann.
Das aromatische Harz wird von den sogenannten Boswellia-Bäumen gewonnen, die nur in einem schmalen, trockenen Klimagürtel wachsen – in Indien und Teilen Südchinas, Somalia, Eritrea und Jemen.
Der edelste und teuerste Weihrauch stammt aus der Provinz Dhofar im Süden Omans. Von hier aus wurde das kostbare Gut – Weihrauch war einst teurer als Gold – in der Antike entlang der Weihrauchstraße durch Südarabien bis zum Mittelmeer und von dort aus in die ganze Welt transportiert.
Durch den „Schweiß der Götter“, wie er genannt wurde, sollten die Gebete schneller in den Himmel aufsteigen. Dass Weihrauch heute noch teuer ist, liegt auch daran, dass es nicht in Plantagen angebaut werden kann und von Hand geerntet wird. Mit einem speziellen Messer, dem Manqaf, wird ein Schnitt in die Baumrinde gesetzt, der milchig-weiße Saft tropft tränenförmig heraus und härtet aus, sobald er mit Sauerstoff in Berührung kommt.
Nach circa zwei Wochen kann das gummiartige Harz abgekratzt und der nächste Schnitt an der gleichen Stelle gesetzt werden. Bis zu zehn Kilogramm Harz kann so in einer Erntesaison von Ende März bis Mitte September von einem Baum geerntet werden.
Je heller und durchsichtiger das gewonnene Harz und je größer die Stücke, desto wertvoller ist es. Ein Kilogramm Hojari, so heißt die reinste und edelste Sorte, kostet bis zu 500 Euro.
@ Shangri-La
„Für uns ist Luban, wie Weihrauch auf Arabisch heißt, Teil unserer Kultur“, erzählt Khalid Al-Amri, Weihrauch-Sommelier im Shangri-La-Hotel in Muscat. „Wenn wir einen Gast willkommen heißen oder ein Kind geboren wird, verbrennen wir Weihrauch, um eine warme, einladende Atmosphäre zu schaffen. Auch zum Sonnenaufgang und zum Sonnenuntergang wird Weihrauch entzündet, um die Luft zu reinigen und schlechte Energie zu vertreiben. Und es ist auch das beste Mittel gegen Küchengerüche und Insekten.“
Allerdings wird hierfür das dunklere, karamellfarbene bis braune Harz verwendet, weil es mehr Öl enthält und somit besser brennt. Omanis parfümieren sich damit, indem sie ein Weihrauchstövchen unter ihr traditionelles Dishdasha-Gewand stellen und frisch gewaschene Kleidung über einem speziellen Gestell beduften.
Anders als der Kirchen-Weihrauch duftet der omanische zart zitronigholzig und wird im Luban-Spa vom Shangri-La aufgrund seiner entspannenden Wirkung (verantwortlich ist das enthaltene Incensol) auch für Körper- und Gesichts-Treatments und für Hautpflegeprodukte verwendet.
Sultan Qabus, der das Land 50 Jahre lang regierte und es vom Mittelalter in die Neuzeit katapultierte, ließ daraus „Amouage“ kreieren, das lange Zeit als teuerstes Parfum der Welt galt.
@ Shangri-La
Dass Weihrauch nicht nur betörend duftet, sondern auch heilende Wirkung hat, ist im Oman und in der ayurvedischen Medizin längst bekannt. Erst seit einigen Jahren jedoch wird auch in westlichen Laboren daran geforscht.
Mit erstaunlichen Erkenntnissen: So soll es bei MS-Patienten ähnlich wie Kortison Krankheitsschübe ausbremsen, allerdings ohne dessen Nebenwirkungen. In mehreren Studien konnte nachgewiesen werden, dass die enthaltene Boswellia-Säure entzündungsfördernde Botenstoffe blockiert und ein bestimmtes Enzym sogar dazu bringt, entzündungsauflösende Botenstoffe zu produzieren.
Forscher sehen im Weihrauch auch für die Behandlung weiterer Autoimmun- sowie entzündlicher Gelenk-, Haut- und Magen-Darm-Erkrankungen wie rheumatoider Arthritis, Osteo-Arthrose oder Asthma großes Potenzial. Bisher gibt es Weihrauch allerdings nicht als zugelassenes Arzneimittel – als Naturprodukt lässt es sich nicht patentieren –, sondern nur in Form freiverkäuflicher Supplements, die leider oft nicht auf ihre Wirksamkeit oder auf Verunreinigungen geprüft sind.
Im Oman wird der Hojari-Weihrauch über Nacht in Wasser eingeweicht und getrunken – dies hilft, so Khalid Al- Amri, gegen Übelkeit und (Bauch-) Schmerzen oder gegen einen trockenen Hals. Studenten schwören auf Weihrauchwasser vor Prüfungen, weil es die Konzentrationsfähigkeit verbessern soll.
Im Mutrah-Souk von Muscat wird Hojari-Harz auch als Kaugummi angepriesen, weil er frischen Atem schenkt und den Hunger stillt. Weihrauch als Denk- und Diäthilfe? Wir können gespannt sein, welche Heilkräfte die Forschung in den nächsten Jahren noch entdeckt.