Professor Dr. Andreas B. Imhoff zählt zu den weltweit renommiertesten Experten auf dem Gebiet der Orthopädie. Mehr als 25 Jahre lang leitete der gebürtige Schweizer am Universitätsklinikum rechts der Isar in München die Abteilung und Poliklinik für Sportorthopädie.
Fast 40.000 Operationen hat der Spezialist im Verlauf seiner Karriere durchgeführt – und behandelte dabei auch zahlreiche prominente Patienten wie etwa den Präsidenten von Ägypten, den König von Malaysia und berühmte Sportler wie Miroslav Klose, Bastian Schweinsteiger oder Jérôme Boateng.
Im vergangenen Jahr wechselte der heute 70-Jährige in einen reichlich unruhigen Ruhestand. Er pendelt heute zwischen Welten von absolutem medizinischem Wohlstand und Gesundheitsversorgung in tiefster Armut, indem er als Berater unter anderem in Dubai, Kairo und Indien tätig ist und sich bei der gemeinsam mit seiner Gattin unterstützten Wohltätigkeitsorganisation „Die kleine Pyramide“ in Luxor engagiert.
Professor Dr. Andreas B. Imhoff
Es scheint, als würden wir in einer Zeit der Gegensätze leben: Einerseits heißt es „Gesundheit ist der neue Luxus“, auf der anderen Seite wird gefordert „Gesundheit darf kein Luxus sein“ – was stimmt denn nun?
Ich würde sagen beides. Nicht nur hier in Deutschland leben wir, was Gesundheitsleistungen betrifft, in einer Zweiklassengesellschaft. Ich komme gerade von einem Kongress aus den USA.
Wenn wir vergleichen, was bei uns Standard ist, davon können Patienten und Patientinnen dort nur träumen, beziehungsweise müssen sehr viel Geld bezahlen, um eine Behandlung zu bekommen, die bei uns Kassenleistung ist. Auf jeden Fall ist es nicht so, dass jemand, der über größere finanzielle Mittel verfügt, automatisch auch eine bessere medizinische Versorgung bekommt.
Wie meinen Sie das? Ist ein teurerer Arzt nicht auch ein besserer Arzt?
Da muss man differenzieren und erst mal schauen, was denn eigentlich kostspielig ist: Ist es der Arzt an sich oder vielleicht doch eher die Behandlung, die technische Ausstattung der Klinik oder Praxis mit modernsten Geräten, die ja auch bezahlt werden müssen. Wenn ich mit deren Hilfe eine bessere, treffsichere und schnellere Diagnostik erzielen kann, würde ich das nicht als Luxus bezeichnen.
Was die persönliche ärztliche Leistung betrifft – also die professionelle medizinische Qualität –, die lässt sich meiner Meinung nach nicht wirklich an der Honorarnote ablesen. Das erlebe ich selbst immer wieder.
In Ihrer Funktion als Berater?
Ja, auch dabei. Zum Beispiel in Dubai, wo Geld wirklich keine Rolle spielt. Da gibt es eine nigelnagelneue orthopädische Klinik mit 40 Betten und 4 OP-Sälen, eine Royal Suite und VIP-Zimmer, mit allem erdenklichen modernsten Equipment, das man sich nur wünschen könnte. Von einem Scheich finanziert, eine private Einrichtung, wo aber jeder hingehen kann. Doch es gibt keine PatientInnen.
Wie kann das sein?
Weil die fachlich-medizinische Qualifikation des Personals zu wünschen übrig lässt. Es ist ja nichts Neues, dass die Emirate als Eldorado für Glücksritter aus aller Welt und Professionen gelten. Auch für so manche Mediziner ist das verführe-risch.
Es lockt das große Geld und es gibt keine Steuern. Die Vereinigten Arabischen Emirate haben heute 11 Millionen Einwohner, davon sind 10 Millionen sogenannte Expats, also Ausländer, und nur etwa eine Million sind Locals. Diese müssen nicht arbeiten. Und weil sie eben keine oder zu wenige eigenen Experten haben, holen sie Ärzte aus dem Ausland.
Also zum Beispiel Sie?
Meine Aufgabe ist in erster Linie die Beratung zur Verbesserung des fachlich medizinischen Standards – also Schulungen und Qualitätsmanagement. Aber auch die Anwerbung von wirklich kompetentem Personal und viel Öffentlichkeitsarbeit, damit Patienten und Patientinnen erfahren: Nun funktioniert es besser.
Wir richten jetzt gerade auch ein großes Trainingslabor in Dubai ein mit unterschiedlichen Stationen, wo das Personal üben kann und wir Fortbildungen betreiben werden.
Sie haben seit Jahren auch viel in Ägypten zu tun. Worin unterscheidet sich Ihre Arbeit in diesen beiden Ländern?
Da liegen Welten dazwischen. Seit fast 25 Jahren unterstütze ich zusammen mit meiner Frau in Luxor die Hilfsorganisation „Die kleine Pyramide“. Diese kümmert sich um die Ärmsten der Armen, vor allem Kinder. In Ägypten ist es nämlich immer noch so, dass Frauen, die ein verkrüppeltes Kind zur Welt bringen, von ihren Männern zusammen mit den Kindern verstoßen werden. Weil es kein staatliches Sozial-system gibt, stehen sie vor dem absoluten Nichts. Da ist die kleinste medizinische Behandlung tatsächlich ein Luxus.
Und wie funktioniert dann hre Unterstützung?
Wir haben ein eigenes Therapie- und Sozialzentrum in Luxor eingerichtet. Der nur aus Spendengeldern finanzierte Verein ist offiziell als NOG in Ägypten anerkannt. Er betreut mittlerweile 300 Familien.
Es gibt eine medizinische Rundumversorgung mit eigenem Fachpersonal, Prothesen, Rollstühle, Orthopädietechnik, Physiotherapie für behinderte Kinder. Wir unterstützen aber auch die Schulbildung und Berufsausbildung, vor allem von Mädchen und ihren Müttern. Da geht es nicht nur darum, den Frauen ein eigenes Leben zu ermöglichen, sondern auch um Menschenwürde und Selbstbewusstsein.
Was teilweise zu skurrilen Situationen führt. Eines der von uns unterstützten Mädchen hat mit Bravour die Ausbildung zur Krankenschwester geschafft. Sie steht nun auf eigenen Beinen. Sie würde so gerne heiraten und eine Familie gründen. Doch sie findet keinen Mann, weil Frauen, die arbeiten und ihr eigenes Geld verdienen, in Südägypten den Männern immer noch suspekt sind.
Weitere Informationen, Spenden
und Anmeldung für Patenschaften über: die-kleine-Pyramide.de