10. September 2024

Jana Ackermann

Kohlenhydrate: Welche sind gesund, welche sind schlecht?

Kohlenhydrate liefern Energie, gelten aber auch als Dickmacher. Deshalb setzen viele auf „low carb”. Was sind gute, was eher ungünstige Kohlenhydrate? Eine Expertin klärt auf

Verschiedene Arten von Nüssen

@ Polina Tankilevitch

Nüsse lassen den Blutzuckerspiegel kaum ansteigen

Kohlenhydrate sind ein zentraler Bestandteil unserer Ernährung und spielen eine wesentliche Rolle als primäre Energiequelle. Dennoch sind sie in den letzten Jahren vermehrt in Verruf geraten, insbesondere durch Trends wie Low-Carb-Diäten. Doch nicht alle Kohlenhydrate sind gleich. Wir werfen einen Blick auf den Grundnährstoff und verraten, wie sich “einfache” und “komplexe” Kohlenhydrate unterscheiden.

 

Was sind Kohlenhydrate?

 

„Ganz allgemein gesprochen sind Kohlenhydrate organische Verbindungen, die aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff bestehen“, erklärt Hannah Willemsen. Sie arbeitet als zertifizierte Ernährungsberaterin, Autorin und Podcasterin von Berlin aus und hat sich auf die Bereiche Darmgesundheit, Hormongesundheit und Sporternährung spezialisiert. “Kohlenhydrate gehören neben den Proteinen und Fetten zu den sogenannten Makronährstoffen, auf die der Körper angewiesen ist.”

 

 

Unser Körper wandelt Kohlenhydrate in Glukose (Zucker) um, die dann als Brennstoff für Zellen, Gewebe und Organe dienen. Besonders das Gehirn und die Muskeln sind auf eine ständige Zufuhr von Glukose angewiesen, um optimal zu funktionieren. “Ohne eine ausreichende Menge an Kohlenhydraten kann es zu Energiemangel, Konzentrationsschwierigkeiten und Leistungseinbrüchen kommen,” so die Expertin.

Der Unterschied zwischen “einfachen” und “komplexen” Kohlenhydraten

 

Kohlenhydrate lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen: “einfache” und “komplexe” Kohlenhydrate. “Einfache Kohlenhydrate bestehen aus ein oder zwei Zuckermolekülen und gehen schnell ins Blut über,” so Willemsen. Beispiele hierfür sind Haushaltszucker, Fruchtzucker (Fruktose), Traubenzucker (Glukose), Milchzucker und Honig. Diese Kohlenhydrate führen oft zu einem schnellen Anstieg des Blutzuckerspiegels, gefolgt von einem raschen Abfall, was zu Energietiefs und Heißhungerattacken führen kann.

 

Komplexe Kohlenhydrate hingegen bestehen aus längeren Ketten von Zuckermolekülen und benötigen mehr Zeit zur Verdauung. “Sie führen zu einem langsameren und gleichmäßigeren Anstieg des Blutzuckerspiegels.”

 

Zur Kategorie der komplexen Kohlenhydrate zählen vollwertige Lebensmittel wie Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Gemüse und stärkehaltige Lebensmittel wie Kartoffeln. “Diese Lebensmittel liefern Energie sowie Nähr-, Vital- und Ballaststoffe, die für eine gesunde Verdauung und eine lang anhaltende Sättigung sorgen.”

 

 

Was enthält gesunde Kohlenhydrate?

 

Gesunde Kohlenhydrate finden sich in Vollkornprodukten wie Haferflocken, Quinoa, Vollkornbrot, Hirse, Buchweizen, Obst wie Äpfeln oder Beeren, in Gemüse, vor allem in grünem Blattgemüse, sowie in Hülsenfrüchten wie Linsen. “Diese Lebensmittel sind besonders wertvoll für die Gesundheit, da sie unter anderem Ballaststoffe liefern, die die Verdauung fördern und für eine lang anhaltende Sättigung sorgen.”

 

Zusätzlich sind sie vollgepackt mit Vitaminen und Mineralstoffen, die für verschiedene Körperfunktionen essentiell sind. Und last but not least: “Sie setzen langsamer Energie frei, was zu einem stabilen Blutzuckerspiegel führt und Energieschwankungen minimiert.”

Was sind “leere” Kohlenhydrate?

 

Kohlenhydrate aus raffinierten Zuckern oder weißem Mehl werden auch als “leere Kalorien” bezeichnet, da sie wenig bis keine Nährstoffe liefern und den Blutzuckerspiegel schnell ansteigen lassen. Sie befinden sich vor allem in Süßigkeiten wie Schokolade und Gummibärchen, Softdrinks und gesüßten Getränken, Weißbrot, weißem Reis und Gebäck.

 

“Diese Kohlenhydrate können zu einem erhöhten Risiko für Übergewicht, Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen,“ erklärt Willemsen. “Allerdings auch nur dann, wenn sie in größeren Mengen und regelmäßig gegessen werden.”

 

 

Laut der Ernährungsexpertin kommt es auf die Balance an: Ein Stück Schokolade zum Nachtisch sei völlig in Ordnung, wenn die restliche Ernährung frisch, ausgewogen und vielseitig ist. Sollte die Lust auf eine ganze Schokoladentafel doch mal überwiegen, empfiehlt sie, Kohlenhydrate dieser Art zusammen mit Proteinen (z.B. Nüssen, griechischen Joghurt, Quark oder einem zuckerfreien Proteinshake) zu naschen, “da Proteine den Blutzucker stabil halten und die negativen Symptome wie Heißhunger und Energieschwankungen vermindern können.”

 

Machen Kohlenhydrate dick?

 

Klar, Süßigkeiten und Co. sind nicht gesundheitsfördernd. Wenn es um das Thema Gewicht geht, haben aber auch Kohlenhydrate den Ruf des Dickmachers. Dahinter steht die Annahme, dass der Blutzucker- und damit Insulinspiegel Einfluss auf den Fetteinbau hat und damit Übergewicht begünstigt. Viele Low-Carb-Diäten, wie die Glyx-Diät, die Montignac- oder Logi-Methode haben gemeinsam, dass Kohlenhydrate als umso schlechter gelten, je stärker sie den Blutzuckerspiegel in die Höhe treiben.

 

Nach einer sehr kohlenhydratreichen Mahlzeit, zum Beispiel Spaghetti Carbonara mit Weißbrot, schießt der Blutzuckerspiegel in die Höhe – und fällt kurz darauf steil ab. Nach einer kurzen Phase der Sättigung kommt es also zum Heißhunger. Und dieser verleitet leicht dazu, weiter zu essen oder zu snacken.

 

Eine weitere Begründung, dass Kohlenhydrate im Übermaß zu Übergewicht führen können: Die Speicherkapazitäten unserer Leber und unserer Muskeln sind begrenzt. Die Glukose, die dort nicht mehr gespeichert werden kann, wird daher in Fett umgewandelt und dann in Fettdepots eingelagert. Kurzum: Kohlenhydrate, insbesondere “leere”, können im Übermaß zu Übergewicht führen.

Wie gesund ist Low Carb?

 

Low-Carb-Brot, -Backmischungen, -Müslis oder -Pizza: Die Supermärkte sind voll von kohlenhydratreduzierten Produkten, die uns die Low-Carb-Ernährung schmackhaft machen möchten. “Low Carb kann für bestimmte Gruppen von Menschen von Vorteil sein”, erklärt Ernährungsberaterin Hannah Willemsen. “Menschen mit Typ-2-Diabetes können von einer Low-Carb-Diät profitieren, da sie helfen kann, den Blutzuckerspiegel besser zu kontrollieren.” Auch für Personen mit Übergewicht kann eine kohlenhydratarme Ernährung hilfreich sein, um leichter abzunehmen.

 

 

Doch sie warnt auch: “Eine Kohlenhydratreduktion ist nicht für jede:n geeignet. Athletinnen und Athleten, die auf eine hohe Energiezufuhr angewiesen sind, oder Menschen mit bestimmten gesundheitlichen Bedingungen sollten eine solche Diät nur unter ärztlicher Aufsicht in Betracht ziehen.”

 

Besonders für Frauen könne sich eine stark kohlenhydratreduzierte Ernährung negativ auf den Zyklus auswirken. Aus ganzheitlicher Sicht sollte man deshalb keine Lebensmittelgruppe komplett aus der Ernährung streichen, sondern auf eine ausgewogene Nährstoffzufuhr setzen, die reich an komplexen Kohlenhydraten, Eiweiß, gesunden Fetten, Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten sowie Nüssen und Samen ist.

 

Tipp zum Schluss

 

Die Kohlenhydratverdauung beginnt bereits im Mund. Wenn ein stärkehaltiges Lebensmittel verzehrt wird, stellen die Speicheldrüsen ein Enzym her, das sofort in die Mundhöhle abgegeben wird. Es beginnt, die Stärke aus der Nahrung zu verdauen.

 

Wird die stärkehaltige Nahrung nicht richtig gekaut und nicht richtig eingespeichelt, kann sie auch nicht sorgfältig mit dem Speichel vermischt und folglich auch nicht optimal verarbeitet werden. Der gesundheitliche Nutzen steigt also, wenn wir langsam essen und Vollkornprodukte, Kartoffeln und Co. gründlich kauen. 

 

Mehr zum Thema