Die Beckenbodenmuskulatur zu stärken ist nicht nur nach einer Schwangerschaft und während der Menopause wichtig. Ist sie zu schwach, kann es zu Inkontinenz kommen. Doch wie lässt sich das Training des Beckenbodens in den Alltag integrieren?
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Mit dem Beckenboden setzt man sich meistens erst mit einer bevorstehenden Geburt auseinander – oder danach, wenn es immer wieder mal zu Urinverlust kommt. Jede fünfte bis zweite Frau, die vaginal entbunden hat, soll davon betroffen sein. Das Problem kann über Jahre anhalten und in den Wechseljahren auch wieder auftauchen. Gesprochen wird über das Tabuthema der Harninkontinenz eher weniger. Und doch – oder gerade deswegen – hat sich in den letzten Jahren ein Markt aufgetan, der verspricht, mit gezieltem Beckenbodentraining Abhilfe zu verschaffen.
Von den kleinen Geräten, die mit dem Smartphone über eine App verbunden sind, sollen aber gleich noch weitere Lebensbereiche profitieren: Ein stärkerer Beckenboden verbessere das psychische Wohlbefinden, beschleunige die postnatale Genesung, wirke präventiv in Bezug auf einen Beckenbodenvorfall (Prolaps) und habe positive Auswirkungen auf das Sexleben.
Physiotherapeutin Anna Springer bietet in ihrer Hamburger Praxis Theragym Beckenboden-Trainingskurse an und betont, dass “ein gutes Beckenbodentraining immer ein Ganzkörpertraining ist und deswegen im Zusammenhang mit der Rumpfmuskulatur, dem Zwerchfell sowie der Fuß- und Kiefermuskulatur trainiert werden sollte.”
Die Expertin weiß, dass die Beckenbodenmuskulatur oft in Vergessenheit gerät: “Es handelt sich um einen Muskel, den man nicht sieht. Wir sind visuell gesteuert, wer traineirt schon gerne ohne sichtbaren Effekt und Erfolg?” Dabei ist der Beckenboden ein richtiges Muskelpaket – groß, wie zwei nebeneinandergelegte Hände. Er verschließt das Becken nach unten und hält so die Organe in ihrer Position. Er wirkt stützend und hilft dabei, den Rücken aufrecht zu halten. Die Beckenbodenmuskulatur verschließt nach vorne die Blase und nach hinten den Darm. Sie muss sich in den richtigen Momenten an- und entspannen, um einen Gegendruck aufzubauen, der Stuhl und Harn zurückhalten kann.
Die Dozentin – unter anderem für Gynäkologie – rät dazu, bei Beschwerden wie Urinverlust, Schmerzen beim Sex und Druckgefühl einen Physio-Pelvica-Spezialisten aufzusuchen. Es handelt sich hierbei um Physiotherapeuten, die eine spezielle Fortbildung absolviert haben, die sich mit Funktionsstörungen des Beckens und Beckenbodens beschäftigt. Zur Befundaufnahme führen sie eine vaginale Untersuchung durch, um Kraft und Spannungszustand des Beckenbodens sowie die Fähigkeit zu aktivieren und zu entspannen zu ertasten und zu beurteilen.
Darauf basierend können eine individuelle physiotherapeutische Behandlung und ein Trainingsplan erstellt werden. “Als sinnvolle Ergänzung dazu können sich dann Beckenbodentrainer mit sogenanntem Bio-Feedback eignen”, so Anna Springer.
Bei Elvie handelt es sich um einen Kegeltrainer, der mit einer App verknüpft ist und Ergebnisse in weniger als 4 Wochen verspricht. Die App schlägt verschiedene, spielerische Übungen vor und misst bei deren Ausführung die Kontraktionen der Beckenbodenmuskulatur, was die Workouts effektiver machen soll. Dadurch, dass der Trainer die Richtung der Muskelspannung erkennt, wird man darauf hingewiesen, wenn man sie nach unten drückt anstatt sie nach oben zu ziehen.
Visualisiert wird das Ganze durch einen kleinen Edelstein auf dem Handy-Display, der sich beim Zusammendrücken nach oben und beim Entspannen nach unten bewegt. Es stehen verschiedene Level zur Verfügung und der eigene Fortschritt wird getrackt. Wer möchte, kann sich sein Ergebnis im Vergleich zu anderen Nutzern anschauen. Die Übungen dauern nur fünf Minuten. Drei davon die Woche sollen genügen, um den Beckenboden zu stärken.
Kostenpunkt: 199 Euro
Hier kaufen: elvie.com
Auch bei Perifit handelt es sich um einen Kegeltrainer mit App. Das Gerät enthält zwei Sensoren: einen, der die Oberflächenmuskulatur des Beckenbodens misst und einen Tiefensensor, der den Druck im Bauchraum vermerkt. Bei Perifit kann man verschiedene Trainingsprogramme mit unterschiedlichem Schwerpunkt beziehungsweise Ziel auswählen.
Zum Beispiel: “Rückbildung nach der Geburt”, “Dranginkontinenz”, “Prolaps”, “Vorbeugung” und “Sexuelles Wohlbefinden”. Pro Programm gibt es mehrere Level zu absolvieren, die sehr spielerisch wirken und bei denen man sich mit anderen messen kann. Bei fehlerhaften Kontraktionen erhält man eine Echtzeitwarnung, auch zum Schutz vor Muskelermüdung gibt es Hinweise sowie Entspannungsphasen zur Erholung. Neben dem originalen Beckenbodentrainer gibt es auch den Perifit Care+, der kleiner ist.
Kostenpunkt: Original 139 Euro, Care+ 150 Euro
Hier kaufen: https://de.perifit.co/
Bei Emy, dem Beckenbodentrainer von Fizimed, handelt es sich um ein Medizinprodukt, dessen Wirksamkeit klinisch erwiesen ist. Hier besteht die Möglichkeit einer Kostenübernahme durch die Krankenkasse, da Emy vom Arzt per Rezept verordnet werden kann. Voraussetzung dafür ist, dass Sie an Symptomen leiden, die auf einen schwachen Beckenboden zurückzuführen sind, wie zum Beispiel Belastungs- oder Stressinkontinenz.
Das Gerät, das ebenfalls mithilfe einer App benutzt werden kann, wurde mit Experten aus der Physiotherapie und Geburtshilfe entwickelt und soll spürbare Ergebnisse in nur drei Wochen liefern.
Kostenpunkt: 199 Euro
Hier kaufen: fizimed.com
Neben den Beckenboden-Aps gibt es auch Trainer ohne digitales Feedback wie zum Beispiel das Yoni-Ei, Liebeskugeln oder den NUK-Beckenbodentrainer. Sie sind in der Regel preisgünstiger und können auch im Alltag bei anderen Erledigungen genutzt werden. Der große Nachteil ist jedoch, dass sie durch das fehlende Feedback falsch angewendet werden können. Denn: Ohne Feedback führen nur 50 % der Frauen ihre Beckenbodenübungen korrekt aus. Darüber hinaus kann diese Art von Beckenbodentrainer schneller herausrutschen.