13. Februar 2025

Judith Cyriax

Wie Lachssperma die Skincare revolutioniert

Lachssperma, Kabeljauhaut Rotbrassen-Darmmikroben …
Warum Meeresbewohner neuerdings das ideale Skin-Food liefern

Lachssperma Skincare

© Freepik

„Kein neues Hype-Produkt“

Auf der Suche nach immer neuen Wirkstoffen, die die Haut verjüngen und verschönern sollen, gehen sowohl die Kosmetikindustrie als auch die ästhetische Medizin oft unerwartete Wege und kredenzen Substanzen und Behandlungen, die auf den ersten Blick doch recht exotisch anmuten. Der neueste Clou: ein Facial mit Lachssperma. Zunächst als Celebrity-Treatment in den sozialen Netzwerken aufgetaucht, bieten immer mehr Ärzt:innen diese Behandlungen in ihren Praxen als wirksame Hautverbesserer an.

 

Doch was genau kann man sich darunter vorstellen? „Das Ganze hat rein gar nichts Schmuddeliges an sich“, sagt Dr. Lukas Kohler, plastisch-ästhetischer Chirurg aus München. „Denn natürlich wird kein pures Lachssperma verwendet, sondern die Haut mit sogenannten Polynukleotiden daraus behandelt.“ Polynukleotide sind Makromoleküle, die aus vielen miteinander verknüpften Nukleotiden bestehen, der chemischen Sammelbezeichnung für DNA und RNA. Und diese können relativ einfach aus Fischsperma isoliert werden.

 

Ist Lachssperma gut für die Haut?

 

Doch funktioniert dieses Verfahren wirklich oder ist es nur ein kurz aufflammendes Phänomen? Wir erinnern uns: Kosmetikhersteller warben schon mit Pflegeprodukten aus Schneckenschleim, die jedoch ziemlich schnell wieder an Reiz verloren haben. Laut Dr. Kohler sind Polynukleotide tatsächlich äußerst wirksam. „Sie sind kein neues Hype-Produkt, sondern werden schon seit Jahren erfolgreich im Bereich der Hauterneuerung sowie -regeneration eingesetzt.“ Bereits im Jahr 2017 wurde im International Journal of Cosmetic Science eine wissenschaftliche Studie veröffentlicht, aus der hervorging, dass Injektionen mit Polynukleotiden nachhaltig die Elastizität und Hautdurchfeuchtung bei den teilnehmenden Probanden verbesserte.

 

„Polynukleotide schaffen ein ideales Milieu für unsere Fibroblasten, jene Zellen, die Hauptbestandteil des Bindegewebes sind. Ihr Aufgabengebiet ist die Bildung von Proteinen, genauer gesagt die Kollagenneubildung. Und je mehr Kollagen in der Haut ist, umso straffer, elastischer und frischer sieht sie aus“, weiß der Facharzt.

 

Was kann man von der Lachssperma-Behandlung erwarten?

 

„Dieses universell einsetzbare Produkt wird nur in die oberste Hautschicht, also die Dermis gespritzt und sorgt dort für eine gleichmäßige Durchfeuchtung sowie mehr Volumen. Ideal für alle, die vor größeren Veränderungen im Gesicht noch zurückschrecken, sondern sich einen schönen Glow wünschen, der ein paar Monate anhält“, erklärt Dr. Kohler.

 

Sie sind jedoch nicht nur der ideale Skinbooster, sondern werden auch bei der Behandlung von Aknenarben sowie Hyperpigmentierungen eingesetzt, da ihre Regenerationskräfte hier besonders gut greifen. Eine Behandlung mit den aus Fischsperma gewonnen Polynukleotiden kostet etwa 300 Euro.

Lachssperma Skincare

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Anti-Aging aus dem Meer

 

Meeresbewohner punkten jedoch nicht nur mit Polynukleotiden in Bezug auf unsere Schönheit, auch ein Teil ihres Verdauungsapparats – der Darm – erweist sich als wahrer Hautfreund. Studien der Fachzeitschrift ACS Omega der „American Chemical Society“ ergaben, dass die Darmmikroben der Rot- und Schwarzbrasse Moleküle produzieren, die zum einen Hyperpigmentierungen aufhellen und zum anderen Falten reduzieren können.

 

Genauer gesagt hemmen diese Moleküle das Enzym Tyrosinase, das für eine gesteigerte Melaninproduktion zuständig ist. Zusätzlich blocken sie das Enzym Kollagenase, das wiederum Kollagen abbaut, wodurch weniger Falten entstehen. Diese Entdeckung ist vor allem für die Kosmetikindustrie interessant, da sich daraus neue Inhaltsstoffe generieren lassen, die eine natürliche Alternative zu chemisch hergestellten Inhaltsstoffen sind.

 

Schöner Schein: Fischsilber

 

Ein weiterer fischiger Inhaltsstoff, der in Kosmetika, insbesondere in Make-up-Produkten, eingesetzt wird, ist Guanin, auch Fischsilber genannt. In seiner kristallinen Form kommt er in Fischschuppen vor und sorgt in Produkten für Glanz und Schimmer. Gewonnen wird er aus den Schuppen des Herings, der Sardine oder der Ukelei.

 

Die Fischsilber-Kristalle werden mithilfe organischer Lösemittel von den Fischschuppen getrennt und gereinigt, um danach in Lippenstift, Nagellack und Lidschatten zu schimmern. Nicht selten verbirgt sich Guanin in der sogenannten INCI-Liste (Internationale Nomenklatur für kosmetische Inhaltsstoffe) auch hinter der Bezeichnung „Pearl Essence“.

 

„Das ursprüngliche Einsatzgebiet von Polynukleotiden liegt in der Verbrennungsmedizin

Nahe Verwandtschaft – Fischhaut in der Medizin

 

„Das ursprüngliche Einsatzgebiet von Polynukleotiden liegt in der Verbrennungsmedizin“, so Dr. Kohler. Mittlerweile hat hier ein weiterer Teil des Fisches einen besonders effektiven Einsatz: die Fischhaut. Genauer gesagt die Fischhaut des Kabeljaus aus dem europäischen Nordmeer, die in der Transplantationschirurgie, aber auch in der Versorgung großer Wunden, beispielsweise in der Diabetikertherapie, eingesetzt wird.

 

In Studien fand man fand heraus, dass zwischen Kaltwasserfischen und Menschen kein Krankheitsübertragungsrisiko besteht, weswegen die Fischhaut nicht steril sein muss. Wichtig ist jedoch, dass sie schonend weiterverarbeitet wird, damit sie ihre natürliche Struktur behält. Warum? Betrachtet man die Haut unter dem Mikroskop, ist sie mit ihrer lockeren Struktur und den großen Poren der menschlichen Haut sehr ähnlich.

 

„Wie die menschliche Haut besteht auch Fischhaut aus Oberhaut, Lederhaut und Unterhautgewebe. Evolutionär gesehen ist unsere Haut mit Fischhaut identisch. Mit dem einzigen Unterschied, dass Fischhaut mit Schuppen versehen ist, die sich bei der menschlichen Haut zu Haaren entwickelt haben“, erklärt der isländische Erfinder Fertram Sigurjons- son. Er hat ein Verfahren entwickelt, bei dem Chemie und Struktur der Haut des Kabeljaus erhalten bleiben, um die heilenden Eigenschaften der Fischhaut zu bewahren. Wird die Fischhaut nun auf Wunden aufgebracht, fängt die menschliche Haut sofort an, mit ihr zu reagieren, indem menschliche Hautzellen sich in den Poren der Fischhaut ansiedeln und vermehren.

 

Zusätzlicher Benefit der Fischhaut: Die in ihr reichlich vorhandenen Omega-3-Fettsäuren bremsen Entzündungen, töten Bakterien und schützen sogar vor Viren. Zudem fördern sie die Entstehung neuer Blutgefäße. Und so ist seit 2022 die Fischhaut des nordatlantischen Kabeljaus ganz offiziell ein zugelassenes Medizinprodukt in der EU.

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