8. September 2023

Judith Cyriax

Schöne neue Welt: Künstliche Intelligenz meets Kosmetik

Wie Künstliche Intelligenz und Metaverse dazu beitragen, auch die Beauty- und Kosmetikbranche zu revolutionieren

© Michael Oliver Love @Hero Creative Management, Stylist: Low Kotze, Haare & Makeup: Michelle Lee Collins @Hero Creative Management, Model: Bethany De Waal @ Kult Models, Produktion: Hero Creative Management für Kinfolk Magazine

Kann die KI maßgeschneiderte Schönheitsempfehlungen geben?

Er oder sie oder es muss es ja eigentlich wissen: Insgesamt trägt die Verwendung von KI in der Kosmetikbranche dazu bei, die Effizienz und die Kundenzufriedenheit zu verbessern“, so das angefragte Fazit von ChatGPT.

 

Laut der momentan weltweit meistdiskutierten Open-Source-KI-Anwendung kann künstliche Intelligenz unter anderem dazu beitragen, neue Rezepturen und Formulierungen für Kosmetikprodukte zu entwickeln sowie Verbraucherbedürfnisse und Vorlieben besser zu verstehen. KI-basierte Systeme können auch bei der Überwachung der Qualität von Kosmetikprodukten eingesetzt werden und ebenso zu einer zielgenauen Entwicklung von Marketing- und Werbekampagnen.

 

Der wichtigste Aspekt der KI in der Kosmetikbranche ist jedoch der Anspruch auf maßgeschneiderte, personalisierte und individualisierte Schönheitsempfehlungen. Sei es in der Pflege, bei Make-up oder Duft. „Mit dem Aufkommen von künstlicher Intelligenz, intelligenter Technologie und maschinellem Lernen gehen auch immer mehr Kosmetikunternehmen dazu über, Produkte zu personalisieren und den Kunden wissensbasierte Beautyroutinen anzubieten“, erklärt die Hamburger Kosmetologin Dr. Sabine Gütt.

 

Sie sieht diese Entwicklung grundsätzlich positiv: „Künstliche Intelligenz soll die Entscheidungsfindung in der Hautpflege durch wissens- und/oder datenintensive computergestützte Lösungen unterstützen und damit das Einkaufserlebnis in naher Zukunft revolutionieren.“

 

Eine Datenbank für die Schönheit

 

Doch wie kann man sich die digitale Pflegeexpertise vorstellen, wer schlüpft in die Rolle des beratenden Fachpersonals? Seit ihrer Gründung im Jahr 2017 beabsichtigt zum Beispiel die Schönheits-Datenbank „Proven Skincare“ (The Skin Genome Project), die umfassendste analytische Datenbank für klinisch wirksame Hautpflegeprodukte zu werden. Dafür werden KI, Big Data und akademische Forschung kombiniert, um personalisierte Produkte zu entwickeln.

 

Das mit dem „Artificial Intelligence Technology Award“ des MIT ausgezeichnete Projekt verfügt über eine Datenbank mit Informationen zu mehr als 100.000 einzelnen Produkten, über 20 Millionen Erfahrungsberichte von Anwender:innen sowie über 4.000 wissenschaftliche Publikationen.

 

Zudem gibt es eine Liste der Wirksamkeit von über 20.000 Hautpflegebestandteilen sowie Informationen zu Wasserhärte, Luftfeuchtigkeit und UV-Index für unzählige Orte auf der Welt.

Für Haut und Haar

 

Entwickelt aus ähnlichen Algorithmen wie bei Proven, verspricht „Function of Beauty“ Shampoos und Conditioner, die auf jedes Haarbedürfnis personalisiert zugeschnitten sind. Dabei wird auf angeblich 12 Milliarden verschiedene Wirkstoffkombinationen zurückgegriffen.

 

Netter Nebeneffekt dieser Anwendung: Die Kund:innen können Duft, Intensität und Farbe ihres Produkts individuell anpassen. Momentan nur in den USA nutzbar ist die Plattform „Curology“, die für Menschen mit unreiner Haut maßgeschneiderte Akne-Pflegelösungen anbietet.

 

Ihre Besonderheit ist nicht nur ein datenbasierter Online-Fragebogen, sondern die Zusammenarbeit mit zahlreichen Ärzten, deren Expertisen in die personalisierte Hautpflegeempfehlung einfließt.

 

Avatar-Beauties

 

Einer der ersten Luxuskonzerne, der seine Beautywelt in das Metaverse, genauer gesagt auf Roblox geholt hat, war Givenchy Parfums. Diese sich permanent weiterentwickelnde digitale Plattform besteht aus virtuellen Welten und Inhalten, die vollständig von den Spielern geschaffen und moduliert werden.

 

Dieses weltweite Phänomen zählt täglich mehr als 50 Millionen Nutzer:innen. „Im Givenchy Beauty House ist jeder Spieler eingeladen, seinen Avatar einem Makeover zu unterziehen oder sich sogar in einen Make-up-Artisten zu verwandeln, mit einer Reihe von Looks, die man an der Make-up-Station auswählen kann“, erklärt Romain Spitzer, CEO Givenchy Parfums.

 

Auch Gucci bewirbt seinen Duft „Gucci Flora Gorgeous Jasmine Eau de Parfum“ auf Roblox und lässt das Testimonial des Duftes – Miley Cyrus – mit den Spielern interagieren.

KI als Skincoach

 

Die japanische Kosmetikmarke Shiseido hat sich mit Revieve, einem Spezialisten für künstliche Intelligenz und Augmented Reality, zusammengetan, um ein personalisiertes Make-up-Beratererlebnis einzuführen. Beim Besuch der Shiseido-Website können die Kund:innen ein Selfie hochladen und Fragen zu ihren Beauty-Vorlieben beantworten.

 

Die KI scannt die Selfies und überwacht die Antworten auf den Fragebogen, woraufhin die User:innen eine Liste mit Makeup-Produkten empfohlen bekommen. Ganz aktuell finden Skincare-Fans eine virtuelle Beautywelt mit einer interaktiven Shiseido-Experience. Von der Erstellung eines eigenen Avatars bis hin zu einer digitalen Hautanalyse kann man seine persönliche Hautpflegeroutine in der bunten 3D-Welt entdecken.

 

Auch die deutsche Hautpflegemarke Babor setzt auf Revieve und lanciert den „Babor Skin Coach“. Dieser funktioniert wie ein Fitness-Tracker und unterstützt Konsumenten dabei, sich Hautziele zu setzen, Veränderungen der Haut im Lauf der Zeit zu verfolgen. So bietet er auf die Hauttypen angepasste Inhalte. Yves Saint Laurent Beauté wiederum ist eine Partnerschaft mit Emotiv eingegangen, einem Spezialisten für Neurowissenschaften, um seine Kunden bei der Auswahl ihres Parfums zu unterstützen.

 

Losgelöst von verschiedenen Metaverse-Plattformen lancieren immer mehr Marken eigene Apps, die mit den Kunden via Smartphone oder Tablet interagieren. So kann man bei der Douglas App den eigenen Hauttyp und die Haut-beschaffenheit bestimmen. Dafür wird einfach das Gesicht mit der Smartphone-Kamera gescannt. Mögliche Unver-träglichkeiten oder genaue Pflegewünsche trägt man manuell in einen Fragebogen ein. Auf Basis dieser Angaben und eines Bildes der Gesichtshaut werden daraufhin der Hauttyp ermittelt und gezielte Produktvorschläge gemacht. Bei der Kosmetik-App von Dr. Schrammek gibt es die Möglichkeit einer Online-Hautberatung.

 

Wer virtuell die neuesten Make-up-Trends ausprobieren möchte, ist bei den Apps Dior Makeup oder Atelier Beauté Chanel richtig. Dr. Gütt steht diesen abonnementbasierten Apps jedoch etwas kritisch gegenüber: „Hinter Hautberatungsdiensten stehen oft große Beautykonzerne, die vorrangig ihre eigenen Produkte vermarkten wollen. Hier stehen ganz klar Wirtschaftsinteressen vor Neutralität.“ Zudem ist diese Kontaktlosigkeit kein Ersatz einer Mensch-zu-Mensch-Beratung oder der Kommunikation auf sozialer Ebene.

Hightech Tools

 

Doch nicht nur Apps oder Plattformen bereichern den Beautymarkt, auch immer mehr datenbasierte Tools für Haut und Haar kommen auf den Markt: Beim interaktiven Spiegel „Swan Mirror“ mit integrierter Kamera, Licht, Mikrofon und Lautsprecher lassen sich per Touch-Funkti-on Hautpflege- und Schmink-Tutorials auswählen, auf dem Spiegel ansehen und direkt im Spiegelbild nachmachen. Alter, Hauttyp und spezielle Vorlieben werden vorab abgefragt, ein Algorithmus stellt dann den individuell passenden Content zusammen.

 

Das neue Gesichtsreinigungsgerät „AgeLOC LumiSpa iO“ von Nu Skin verspricht neue Standards in der Gesichtspflege. Dank IoT-Unterstützung – dem „Internet der Dinge“, in dem physische Objekte untereinander vernetzt werden – verbindet es sich per Bluetooth mit einer App auf dem Mobiltelefon. Diese personalisiert die individuelle Pflegeroutine, und Sensoren erkennen, wann ein zu hoher Druck auf die Haut ausgeübt wird oder der Silikonaufsatz gewechselt werden muss.

 

 

Die schwedische Marke Foreo hat mit „Luna Foreo“ ein KI- basiertes Reinigungsgerät entwickelt, das durch Sensoren die Haut der Anwender:innen analysiert und individuelle Massageroutinen erstellt. Gesteuert wird das Gerät durch die dazugehörige App, welche die bestmöglichen Reinigungsroutinen mit benutzerdefinierter Intensität und Dauer erstellt. Und ein neues Gerät von Currentbody Skin verwendet Laserlicht, um das Haarwachstum wieder anzuregen und vorzeitigem Haarausfall entgegenzuwirken.

Fitness im Anzug

 

Natürlich kümmert sich die künstliche Intelligenz auch um den Körper. Ein Unternehmen, das dies sehr erfolgreich betreibt, ist Easy Motion Skin aus Österreich: Das seit Jahren bewährte EMS-Training wird hier auf ein neues Level gehoben. Konnte EMS (Elektromyostimulation) bis dato nur in Studios und unter Aufsicht von Trainingspersonal durchgeführt werden, gibt es von Easy Motion Skin nun die erste Heimanwendung.

 

Einmal in den „Motion Skin“-Anzug geschlüpft, wählt man aus einer App das passende Programm – je nachdem, ob der Stoffwechsel angekurbelt, Körperfett zum Schmelzen gebracht oder die Ausdauer gepusht werden soll. Trockenelektroden im Hightech-Anzug stimulieren während leichter Sportübungen mit niederfrequenten Stromimpulsen bis zu 90 Prozent der Körpermuskulatur.

 

Das passende Training kann aus 88 unterschiedlichen Programmen gewählt werden. Damit die Übungen korrekt ausgeführt werden, unterstützt die Trainings-App das Workout mit anschaulichen Darstellungen durch Avatare.

 

Schon wenige kurze Einheiten genügen für einen trainierteren Körper, ein gestraffteres Hautbild und definiertere Muskeln. Dies machte sich beispielsweise auch der deutsche ESA-Astronaut Matthias Maurer zunutze und trainierte mit „Motion Skin“ auf der Internationalen Raumstation ISS, um Muskelschwund und Knochenabbau vorzubeugen. easymotionskin.com

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