Das Mikrobiom: Eine Welt voller winziger Helferlein auf und in unserem Körper. Wie wichtig es ist und wie man es stärken kann
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Jede(r) von uns teilt sein Leben mit diversen Wegbegleitern – Freunde, Familie und Arbeitskollegen. Beim einen sind es mehr, beim anderen weniger. Was uns jedoch alle eint, ist die Vielzahl an Mitbewohnern, die aktiv an unserem Leben teilnehmen. Stolze 38 Billionen Mikroorganismen – bestehend aus Bakterien, Viren und Pilzen – leben in und auf uns. Mikrobiom heißt dieser permanente Begleiter, der dafür sorgt, dass wir gesund bleiben.
Das Mikrobiom jedes Menschen ist so individuell wie sein Fingerabdruck. Es entwickelt sich erst nach der Geburt. „Zunächst wird das Mikrobiom von Bifidobakterien dominiert, erst wenn nach und nach feste Nahrung zugeführt wird, beginnt es sich in Richtung des Erwachsenentypus zu entwickeln“, erklärt Dr. Sabine Gütt, Kosmetologin und Expertin für Produktentwicklung bei Reviderm.
Innerhalb von 30 Monaten hat jeder Mensch seinen höchst persönlichen Mix aus Mikroorganismen, die vor allem die Haut und den Darm besiedeln. Gerade auf der Haut spielt dieses Ökosystem eine entscheidende Rolle, bildet sie doch die erste Verteidigungslinie des Körpers.
Hier hilft das Mikrobion, die Hautbarriere zu stärken und Krankheitserreger abzuwehren. Zusätzlich reguliert es das Immunsystem und sorgt dafür, dass der pH-Wert der Haut im gesunden, leicht sauren Milieu bleibt. Bei den meisten Menschen ist das Mikrobiom recht ausgewogen, doch externe wie interne Faktoren wie UV-Strahlen, Umweltgifte, Ernährung, Medikamente oder falsche Pflegeprodukte können es schnell aus dem Gleichgewicht bringen.
Die Folge: Auf der aus dem Gleichgewicht gebrachten Haut vermehren sich zu viele schlechte Bakterien, sie wird durchlässig für Krankheitserreger. Sichtbar wird das beispielsweise durch trockene Stellen, Elastizitätsverlust, eine vermehrte Faltenbildung oder sichtbare Entzündungen. Hier kann die richtige Pflege regulierend wirken.
Besonders hautfreundlich erweisen sich Produkte mit probiotischen und präbiotischen Inhaltsstoffen. Probiotische Kosmetikprodukte sind direkt mit „gesunden“ Bakterien, beispielsweise fermentierten Milchsäurebakterien, versetzt. Diese Produkte sind dafür konzipiert, das Mikrobiom intakt zu halten oder wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Präbiotische Produkte hingegen enthalten Inhaltsstoffe, die eine Nahrungsquelle für gute Mikroorganismen bieten. Sehr oft zum Einsatz kommen hier fermentierte Tropenfrüchte, Schwarz- oder Grüntee. Durch den Fermentationsprozess entstehen nicht nur gesundheitsfördernde Stoffe wie Vitamine, Aminosäuren oder Polysaccharide, die Wirkstoffe zerfallen zudem in winzige Moleküle, die von der Haut besser aufgenommen werden können.
Darüber hinaus erhöht die Fermentation die Verträglichkeit vieler Ausgangsstoffe, da allergieauslösende in nicht allergene Stoffe umgewandelt werden. Außerdem wird die Bildung gesunder Bakterien angekurbelt.
„Weitere Hautversteher sind Vitamin B3, auch als Niacinamid bekannt, das entzündungshemmende Eigenschaften besitzt und dazu beiträgt, das Immunsystem der Haut zu stärken. Hyaluronsäure versorgt wiederum mit ausreichend Feuchtigkeit, ohne das Mikrobiom negativ zu beeinflussen“, so Dermatologin Dr. Susanne Steinkraus. Besonders wichtig dabei sind Ceramide – Lipide, die für den Aufbau der Hautbarriere sorgen.
Sie sind verantwortlich für eine gesunde Hautstruktur, die Feuchtigkeitsspeicherung und den Schutz vor schädlichen Umwelteinflüssen. „Ceramide werden zwar im Körper produziert, diese Produktion kann jedoch durch den Einfluss schädlicher Umwelteinflüsse verlangsamt oder gestört werden. Sie von außen durch Pflegeprodukte auf die Haut zu bringen, ist durchaus sinnvoll“, meint die Dermatologin.
Kontraproduktiv agieren scharfe Chemikalien wie Sulfate oder Tenside, die der Haut ihre natürlichen Öle entziehen. Produkte die Alkohol enthalten, zum Beispiel die meisten Gesichtswasser, trocknen aus und stören die Hautflora. Antibakterielle und antimikrobielle Substanzen wie Triclocarban – häufig in Handdesinfektionsmitteln enthalten – töten nicht nur schlechte, sondern auch nützliche Bakterien ab.
Und genau das haben wir während der zurückliegenden Pandemie zu häufig getan – die Haut an unseren Händen mit zu viel Desinfektionsmitteln belastet und damit das Mikrobiom tagtäglich angegriffen. Klassische Konservierungsmittel werden nach wie vor besonders in der konventionellen Kosmetik dazu eingesetzt, unerwünschte Mikroorganismen an ihrer Ausbreitung zu hindern.
Im Prinzip eine feine Sache, doch können Konservierungsmittel nicht zwischen erwünschten und unerwünschten Bakterien unterscheiden, sie eliminieren einfach alles. Greift man also zu Produkten mit probiotischen Inhaltsstoffen (also lebenden Bakterien), ist es gut möglich, dass die Konservierungsmittel des Produkts diese als Störenfriede von außen ansehen und auf der Haut beseitigen.
Um dies zu verhindern, setzen immer mehr Produzenten auf biotechnologisch hergestellte, antimikrobiell wirkende Konservierungsstoffe. Spitzenreiter in der Kosmetik sind neben der klassischen Milchsäure ätherische Öle wie Teebaum- oder Rosmarinöl und Pflanzenextrakte.
Die schwedische Marke „Skinome“ hat in Studien mit der Universität Linköping herausgefunden, dass die Bakterienvielfalt in der Haut zunimmt, wenn man auf konservierungsmittelfreie Kosmetika umsteigt. Schon nach einem Monat war die Haut der Probanden weniger gereizt und gerötet, das Hautbild im Allgemeinen glatter und ebenmäßiger.
Nicht nur was die Hautgesundheit betrifft, ist das Mikrobiom häufiges Thema. Auch im Darm ist es sehr präsent. Denn Darm und Haut haben mehr gemeinsam, als es auf den ersten Blick scheint. Beide sind die größten Organe des Körpers – die Haut misst rund zwei Quadratmeter, der vielfach gewundene Darm kommt gar auf bis zu 40 Quadratmeter.
Beide sind dicht von Bakterien besiedelt, deren Gleichgewicht für eine gute Funktion des jeweiligen Organs sehr wichtig ist. Zudem führen sie eine enge, kommunikative Beziehung, die als Darm-Haut-Achse bekannt ist. Diese wird durch neurologische, endokrine oder immunologische Mechanismen betrieben.
Veränderungen in der Darmflora oder im Hautmikrobiom können das jeweils andere Organ positiv wie auch negativ beeinflussen. Forschungen haben gezeigt, dass ein Ungleichgewicht in der Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms, die sogenannte Dysbiose, zu verschiedenen Hautkrankheiten führen kann.
„Eine gestörte Darmbarriere, Entzündungsstoffe und von Mikroorganismen freigesetzte Stoffwechselprodukte beeinflussen Hauterkrankungen wie Psoriasis, Neurodermitis, Akne und Rosazea“, so Dr. Sabine Gütt. „Ernährung, Lebensstil und genetische Veranlagung sind wichtige Regulatoren des mikrobiellen Gleichgewichts im Darm.“
Besonders hilfreich sind beispielsweise kurzkettige Fettsäuren, die durch die Fermentation von Ballaststoffen im Darm entstehen und sich auf das Vorherrschen bestimmter Bakterien auf der Haut auswirken. Diese beeinflussen wiederum die Immunabwehr der Haut. Eine französische Studie von 2020, in der die Ernährungsgewohnheiten von 25.000 Personen untersucht wurden, zeigte, dass mit jeder fett- und zuckerreichen Mahlzeit das Risiko einer Akne-Entstehung um 54 Prozent steigt – ein aussagekräftiger Beweis der Verbindung zwischen Darm und Haut.