12. März 2025

Petra Harms

Mouth Taping: Schläft man mit zugeklebtem Mund wirklich besser?

Eine erholsame Nachtruhe, strahlendes, straffes Aussehen, frischer Atem und bessere Konzentration – das sollen zwei Klebestreifen über dem Mund bewirken, behaupten Influencer. Was ist dran am Mouth Taping-Trend? Und welche Risiken birgt er?

Frau mit Pflaster über dem Mund

@ Adobe Stock

Klebepflaster über dem Mund sollen unter anderem gegen Schnarchen und Atemwegserkrankungen wirken

Etwa 15 Euro bis 25 Euro kosten Mouth Tapes im Monat – das ist günstiger als ein Besuch bei der Kosmetikerin, eine professionelle Zahnreinigung oder auch nur eine Dose Kräutertee von Mariage Frères als Einschlafhilfe. Dabei sollen Klebepflaster über dem Mund zahlreiche Probleme beziehungsweise Befindlichkeiten auf einmal eliminieren: Schnarchen, Atemwegserkrankungen, schlaffe Gesichtszüge und das Gefühl von Energielosigkeit.

 

Was soll Mouth Taping bringen?

 

Die Idee dahinter: Durch das Zukleben des Mundes wird die natürliche Nasenatmung gefördert. Die Nase filtert, befeuchtet und temperiert die eingeatmete Luft optimal – und das, so der Claim der Pflaster-Hersteller, optimiert und maximiert die Sauerstoffaufnahme im Körper und sorgt für mehr Wohlbefinden.

 


 

Lesen Sie hier: Wer durch die Nase atmet wird weniger krank

 


 

Des Weiteren sollen durch die Mundpflaster, auch als Schlafstreifen, Hostage Tapes oder Breathy Silencer bekannt, die Muskulatur an Ort und Stelle bleiben. Unsinn, findet Professor Wolfram Windisch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP). „Eine optimierte Sauerstoffaufnahme ist vielleicht im Spitzensport relevant, aber nicht im Schlaf.”

 

Welche Studien gibt es zu Mouth Taping?

 

Die Studienlage zum Mouth Taping? So dünn wie ein einzelnes Flimmerhärchen in der Nase. Zum Beauty-Effekt gibt es keine Untersuchungen, eine Arbeit der American Academy of Sleep Medicine AASM von 2023 mit 2500 Teilnehmern zu viralen Schlaftrends zeigt lediglich, dass 250 Personen das Mouth Taping ausprobiert haben. Eine Wirkung? Nicht dokumentiert.

 

Eine taiwanesische Studie aus dem Jahr 2022 hat zwar gezeigt, dass Schlafapnoen und Schnarchen durch die Klebestreifen über dem Mund reduziert würden, allerdings ist das Ergebnis mit nur 30 Teilnehmern statistisch nicht signifikant. Hier warnt der Kölner Lungenarzt sogar: „Obstruktive Schlafapnoen und damit einhergehende Atempausen sowie lautes Schnarchen sind ein Zeichen, dass die Atemwege verengt sind. Das muss schulmedizinisch untersucht werden und gegebenenfalls durch Masken-Therapie, Kieferschienen oder Operationen behandelt werden. Ein Pflaster wäre in diesem Fall sogar gefährlich, weil es den Luftstrom beeinträchtigt.“

 

In diesen gar nicht mal so seltenen Fällen – Studien zufolge leiden weltweit 963 Millionen Menschen darunter – fühlen sich Betroffene nach einer fragmentierten Nachtruhe mit Atemaussetzern nicht nur müde und fahrig, sondern tendieren dadurch auch zu Übergewicht, Bluthochdruck und haben ein größeres Risiko für Schlaganfälle.

Gelegentliches Schnarchen dagegen ist normal und hat auch keine negativen Auswirkungen, allenfalls auf den Co-Schläfer, der dadurch geweckt wird. Tatsächlich beeinflusst die Schlafposition, vor allem die Rückenlage, dass der Mund sich öffnet und Menschen schnarchen und infolgedessen auch der Mundraum austrocknet und die Mundflora verändert ist. Die Folge: schlechter Atem.

 

Was raten die Experten?

 

Allerdings ist die Lage im Bett typabhängig und lässt sich nur schwer ändern. Professor Windisch rät: „Statt die Schlafroutine um ein Pflaster über dem Mund zu ergänzen, lieber Wein, ungesundes, spätes Essen, unregelmäßige Schlafenszeiten und blaues Licht von Handy und Laptop sowie Aufregung vor dem Schlafengehen vermeiden. Dann können Körper und Geist auch entspannen, und wir haben eine erholsame Nacht.“

 


 

Lesen Sie hier: So wichtig ist Melatonin für guten Schlaf

 


 

 

Wie kann man Nasenatmung trainieren?

 

Alternativ kann auch Atemtraining dabei helfen, die Nasenatmung bewusst einzusetzen. Bei Nadi Shodhana, der Wechselatmung, wird abwechselnd durch das rechte und linke Nasenloch ein- bzw. ausgeatmet. Tatsächlich sucht sich der Sauerstoff immer den einfachsten Weg. Wir atmen nie ausgeglichen durch beide Nasenlöcher gleichzeitig, sondern mal mehr durch das eine oder andere. Und zwischendurch auch mal durch den Mund.

 

Professor Wolfram Windisch staunt deshalb über den Pflaster-Trend: „Der gesunde Körper holt sich automatisch die Luft, die er braucht. Das ist wunderbar und braucht sicher kein Produkt.“

 

Mehr zum Thema