Forever young: So kann man das Altern verlangsamen

„Niemand möchte alt werden, aber jung sterben will auch niemand“, sagte Keith Richards einmal. Aber was tun gegen die schlimmsten Zeichen der Zeit? Wir haben sieben Experten um Rat gefragt

KI-Bilder: Alper Yesiltas

Die einzige Konstante im Leben ist die Veränderung – das wusste schon Heraklit. Eine Tatsache, die wir am eigenen Leib spüren, wenn wir älter werden. Nicht tagtäglich, doch mit 40, 50, 60plus immer stärker. Ob und wie rasch bestimmte Alterserscheinungen auftreten, hängt von vielen Faktoren ab: neben der Genetik vom Lebensstil, dem Geschlecht – Frauen und Männer altern unterschiedlich – und unserem Sozialleben. Dass wir altern, können wir nicht verhindern. Allerdings: Zu wissen, was einen erwartet, kann helfen, gezielt gegenzusteuern, Prozesse zu verlangsamen und Krankheiten vorzubeugen.

 

Sie fangen oft mit diffusen Symptomen an: Man wacht nachts auf und kann nicht mehr einschlafen, obwohl einen weder kleinere Kinder noch größere Sorgen davon abhalten; man fühlt sich himmelhoch jauchzend und im nächsten Moment zu Tode betrübt.

 

„Eine Hormonersatztherapie führt zur Verbesserung der Lebensqualität“

 

Wenn dann Hitzewallungen hinzukommen, die Periode nur noch unregelmäßig einsetzt, dämmert den meisten Frauen, dass sie in den Wechseljahren sind. „Bei den meisten Frauen beginnen sie zwischen 50 und 52 Jahren. Je nach genetischer Disposition kann das bis 56 gehen“, so die Münchner Frauenärztin Dr. Brita von Holle. Grund für die Wechseljahre sind die Hormone, die von den Eierstöcken in geringerer Menge ausgeschüttet werden, sodass der Eisprung seltener stattfindet, bis irgendwann keine Eizellen mehr heranreifen.

 

Wenn ein Jahr lang keine Monatsblutung mehr auftritt, spricht man von Menopause. „Eine Hormonersatztherapie führt zur Verbesserung der Lebensqualität“, so Dr. Brita von Holle. In welcher Form – möglich sind auch pflanzliche Präparate wie Mönchspfeffer, Soja, Traubensilberkerze – und Dosierung, hängt von der grundsätzlichen Disposition der Frauen ab, aber auch von ihrer medizinischen Vorgeschichte.

 

Eine diagnostizierte Osteoporose oder hormonell bedingte Depression sind für die Frauenärztin ebenfalls Indikationen für eine Hormongabe. Auch sportlicheren, drahtigeren Frauen rät sie dazu. „Frauen mit mehr Fettgewebe haben in der Regel weniger ausgeprägte Symptome, weil das Fettgewebe Hormonvorstufen produziert.“ Nicht verschwiegen werden darf, dass eine Hormonersatztherapie die Wahrscheinlichkeit erhöht, an Brustkrebs zu erkranken. Weshalb regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen in höherer Frequenz wichtig sind.

„Ich halte es mit dem griechischen Philosophen Epikur: Man soll sein Leben in vollen Zügen genießen, um glücklich zu sein“, so der Münchner Kardiologe Dr. Alexander Zitzmann. „Epikur sagte aber auch, dass in jedem Genuss ein Verzicht liegt.“ So alt diese Erkenntnis ist, so zutreffend ist sie doch, wenn es darum geht Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorzubeugen. Alleinstehende Junggesellen haben epidemiologisch gesehen eine der schlechtesten Lebenserwartungen, weil sie oft zu viel trinken und rauchen, unregelmäßig essen, vor allem aber, weil Einsamkeit Stresshormone ausschütten kann, die Entzündungen im Körper begünstigen.

 

Alleinstehende Junggesellen haben epidemiologisch gesehen eine der schlechtesten Lebenserwartungen

 

Zusätzlich schwächen Stresshormone das Immunsystem. Deshalb lässt sogenannter Distress, ausgelöst durch Zeitmangel, Termindruck oder Überforderung, die Blutdruckwerte plötzlich stark ansteigen, was schlimmstenfalls zu Herzrhythmusstörungen, akuter Herzschwäche bis hin zum Herzinfarkt führen kann. Der sogenannte Eustress, ausgelöst durch sportlich erzielte Leistungen oder Vorfreude auf eine große Feier, schadet hingegen nicht, sondern hat sogar positive Effekte. Da Herz-Kreislauf-Erkrankungen Todesursache Nummer eins sind – bei Männern ab 60 Jahren, bei Frauen 10 Jahre später –, rät Dr. Zitzmann dringend zur Vorsorge. „Wer aus einer Familie kommt, in der gehäuft Herzinfarkt, Schlag- anfall oder Bluthochdruck vorkommen, sollte bereits ab dem 30. Lebensjahr regelmäßig Laborstatus, EKG und Ultraschall des Herzens machen lassen. Besteht eine familiäre Fettstoffwechselstörung, rät der Facharzt, schon Kinder auf Cholesterin untersuchen zu lassen.

 

 

Die gute Nachricht: Alterssichtigkeit (Presbyopie), die jeden Menschen im Laufe des Lebens trifft, lässt sich heute problemlos lasern. Perfekt für alle, die es leid sind, eine Lesebrille oder Kontaktlinsen zu tragen. Auch der Graue Star, von dem die meisten Menschen irgendwann betroffen sind (Kurzsichtige in der Regel früher, manchmal bereits mit 40), lässt sich gut behandeln. „Ich operiere gut 90 Prozent meiner Patient:innen auf beiden Augen, sodass sie danach keine Brille mehr benötigen“, so Dr. Detlev R.H. Breyer von der Augenchirurgieklinik Breyer Kaymak & Klabe sowie vom Augenlaserzentrum Premium Eyes in Düsseldorf.

 

Wesentlich gefährlicher, aber auch seltener ist der Grüne Star

 

Dabei wird die eigene trübe Linse durch eine Kunstlinse ersetzt. Entweder als Multifokallinse, die im Grunde wie eine Gleitsichtbrille funktioniert, oder als EDOF-Linse (Enhanced Depth Of Focus), die nicht nur in der Nähe und Ferne scharf sehen lässt, sondern auch im mittlerer Sehbereich eine erweiterter Tiefenschärfe erzielt. Wesentlich gefährlicher, aber auch seltener ist der Grüne Star. Bei diesem schädigt ein erhöhter Augeninnendruck den Sehnerv, wodurch das Gesichtsfeld konzentrisch eingeschränkt wird.

 

„Das Verflixte am Grünen Star ist, dass man ihn erst bemerkt, wenn es zu spät ist“, warnt Dr. Breyer. Deshalb sollte ab 40, spätestens 50 Jahren einmal pro Jahr ein Augenarzt den Augendruck prüfen und den Sehnerv vermessen. „Dadurch lässt sich frühzeitig erkennen, ob ein Grüner Star entsteht, und man kann mit der MIGS (Microinvasive Glaucoma Surgery) auch etwas dagegen tun“, so Dr. Breyer. Die Makuladegeneration, eine weitere altersbedingte chronische Augenerkrankung, die meist ab dem 55. Lebensjahr beginnt und schlimmstenfalls zum Erblinden führt, lässt sich mit dem sogenannten Amsler-Netz erkennen. Dabei schaut man durch die passende Brille auf eine Rastergitterstruktur und hält sich abwechselnd das rechte und linke Auge zu. Die Linien sollten sich nicht wellenförmig verziehen.

 

Für die trockene Makuladegeneration gibt es mittlerweile die sogenannte Photobiostimulations-Behandlung, eine Therapie mit Licht bestimmter Wellenlänge, bei der die Regeneration der Netzhautzellen angeregt wird. Gegen die feuchte Makuladegeneration sind verschiedene Spritzentherapien und Medikamente das Mittel der Wahl. „Da tut sich gerade sehr viel“, so Dr. Breyer. Das Wichtigste ist auch hier Prävention: „Eine Sonnenbrille tragen, wann immer es nur annähernd notwendig erscheint.“

 

 

„Soziale Isolation – wenn Menschen aus dem Berufsleben ausscheiden, Lebenspartner oder Freunde sterben – ist einer der bekanntesten chronisch toxischen Stressoren“, so Prof. Dr. Andreas Menke, Ärztlicher Direktor vom Medical Park Chiemseeblick, Fachklinik für Psychosomatik und Psychotherapie. „Hinzu kommt, dass wir weniger mit Stress umgehen können, je älter wir werden.“ Zwei Faktoren, die in die (Alters-)Depression führen können.

 

„Mit einer Altersdepression sollte man unbedingt zum Arzt gehen“

 

Davon sind Frauen und Männer gleichermaßen betroffen. Mit dem Unterschied, dass Frauen eher darüber sprechen und sich Hilfe holen, während Männer oft gereizt und weniger traurig sind, sodass das Umfeld nicht sofort an eine Depression denkt. Zweites Problem ist die Stigmatisierung, die es nach wie vor gibt. „Mit einer Altersdepression sollte man unbe-dingt zum Arzt gehen“, rät Prof. Dr. Menke. Das kann der Hausarzt sein, ein Psychotherapeut oder Psychiater. „Denn mit einer Therapie und/oder Medikamenten ist sie heilbar.“ Auch Selbsthilfegruppen können begleitend helfen. Um gegen das Tabu anzukämpfen und die Menschen zu sensibilisieren, gibt es immer mehr Initiativen wie das „Bündnis gegen Depression“, das sich deutschlandweit engagiert.

Die Haut erreicht mit rund 20 Jahren ihre Blütezeit. „Danach beginnt sie zu altern“, so der Münchner Dermatologe Dr. Stefan Duve. „Dass Menschen heute jünger aussehen als früher, liegt sicherlich daran, dass sie wesentlich sensibler mit dem Thema Schönheit umgehen, mehr und konsequent auf Sonnenschutz achten und mit bekannten Methoden wie Mikrodermabrasion gegensteuern.“ Beim Altern gibt es durchaus Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Obwohl Männerhaut in der Regel mehr Kollagen produziert, das wie ein natürliches Stützkorsett funktioniert, sieht man ihnen die ersten Mimikfalten meist früher bzw. stärker an – um die Augen und zwischen den Brauen.

 

Beim Altern gibt es durchaus Unterschiede zwischen Männern und Frauen

 

Nach der Menopause und der veränderten Hormonproduktion altert Frauenhaut dann anders und schneller. Wie man die Haut möglichst lang jung hält? Durch Sonnenschutz schon in frühester Kindheit, ausreichend Schlaf, kein Nikotin, wenig Alkohol und wirkstoffreiche Pflege. „Auch die Ernährung und Nahrungsergänzungsmittel werden in Zukunft an Bedeutung gewinnen“, so Dr. Duve. „Noch steckt die Forschung diesbezüglich allerdings in den Kinderschuhen.“

Speichel ist wichtig für die Mundflora und die Gesundheit der Zähne, die enthaltenen Bakterien haben eine Schutzwirkung. „Antibakterielle Mundspülungen gehören deshalb nicht in die tägliche Mundhygiene“, so Dr. Christian Leonhardt, Chef der Zahnärzte am Perlach in Augsburg. Da die Speichelproduktion im Alter abnimmt, steigt das Risiko für Karies und Zahnfleischerkrankungen. Bei Frauen besonders in der Menopause, weil die Mundschleimhaut Östrogen-rezeptoren besitzt, die auf Hormonentzug mit Trockenheit reagieren kann.

 

Speichel ist wichtig für die Mundflora und die Gesundheit der Zähne

 

Dr. Leonhardt empfiehlt, den Speichelfluss mit Kaugummi oder biologischen Kirschkernen anzuregen. Etwa ab dem 40. Lebensjahr zeigen sich in der Regel Abnutzungserscheinungen des Zahnschmelzes durch Kauen, Fehlfunktionen und den Genuss säurehaltiger Lebensmittel. Hinzu kommen Veränderungen in der Zahnstruktur und -farbe, ein Rückgang des Zahnfleisches, der das Risiko für Wurzelkaries und Zahnverlust erhöht. Diese Verände-rungen geschehen schrittweise, individuell verschieden und abhängig vom Geschlecht: Männer sind anfälliger für Zahnfleischerkrankungen (Parodontitis) und Zahnausfall, was mit der schwächeren Immunantwort gegenüber Bakterien im Mundraum und der höheren Knochendichte zusammenhängt.

Es beginnt oft unbemerkt bereits im frühen Erwachsenenalter: Die Knochen- und Knorpelsubstanz nimmt ab, Sehnen und Bänder verlieren ihre Elastizität und werden kürzer. Die Folgen: Es kann irgendwann zu einer Osteoporose kommen und ohne wirklichen Auslöser zu Knochen-brüchen. Die Gelenke schmerzen und sind nicht mehr so beweglich, es folgen Probleme beim Gehen, Sitzen und Stehen.

 

Meist sind Knie und Hüfte betroffen, weil sie stärker belastet werden. Wie wir uns davor schützen und Veränderungen hinauszögern können – vor allem Arthrose: „Indem wir möglichst Normalgewicht halten mit einem BMI von 20 bis 25, durch eine ausgewogene und pflanzenbasierte Ernährung und durch Bewegung“, so Dr. Christina Valle, Klinik für Orthopädie und Sportorthopädie am Münchner Klinikum rechts der Isar.

 

Meist sind Knie und Hüfte betroffen, weil sie stärker belastet werden

 

Sie empfiehlt Low-Impact-Sportarten, die nicht zu viel Stress auf die Gelenke ausüben, wie Radfahren, Walken und Schwimmen. Schränkt die Arthrose die Lebensqualität jedoch irgendwann so stark ein, dass auch konservative Therapien nicht mehr helfen, ist ein künstliches Gelenk das Mittel der Wahl.

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