15. September 2023

Judith Cyriax

Ästhetische Eingriffe boomen 

Nie zuvor wurden mehr Schönheits-OPs in Deutschland vorgenommen. Auch immer mehr Männer lassen sich optimieren

© Anna Shvets

Klarer Spitzenreiter: die Faltenunterspritzung mit Botulinumtoxin

Ein Blick in die Statistiken der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDAPC) lässt die Vermutung zu: Viele Deutsche sind mit ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht (mehr) einverstanden.

 

So konnte allein für das Jahr 2022 ein Anstieg der ästhetischen Behandlungen um rund 15 Prozent verzeichnet werden. Das bedeutet im Klartext, dass knapp 480.000 operative, jedoch medizinisch nicht notwendige Eingriffe durchgeführt wurden – im Gesicht und am Körper. Damit zählt Deutschland laut der International Society of Plastic Surgery zu den Ländern mit den weltweit meisten ästhetisch-plastischen Eingriffen.

 

Klarer Spitzenreiter ist dabei die Faltenunterspritzung mit Botulinumtoxin, gefolgt von Behandlungen mit Hyaluronsäure und Fillern, sowie Fettabsaugungen. Nach wie vor sieht die VDÄPC die Pandemiejahre als Auslöser. Faktoren wie Homeoffice, Videokonferenzen und die vermehrte Nutzung von Social Media – man hat sich dadurch intensiver mit dem eigenen Aussehen beschäftigt – werden als häufigster Grund genannt, sich einem Eingriff zu unterziehen.

 

Was die Zahlen der Statistik noch verraten: Die überwiegende Mehrheit der Patienten:innen ist weiblich. Doch die Männer holen auf. Mittlerweile ist fast jeder sechste Patient männlich. Doch was genau wünschen sich Frauen und Männer von einem ästhetischen Eingriff? Gibt es Gemeinsamkeiten? Wo liegen die Unterschiede?

 

Sp(r)itzenkraft: minimalinvasive Behandlungen ganz vorne

 

In den vergangenen beiden Jahren ist die Nachfrage nach den sogenannten minimalinvasiven Behandlungen stark gestiegen. Ein frisches und waches Spiegelbild wünschen sich sowohl Frauen als auch Männer. „Stirn- und Zornesfalten sowie Nasolabialfalten treffen alle Geschlechter, weswegen Botox- und Fillerbehandlungen die häufigsten non-invasiven Eingriffe sind“, sagt Dr. Juliane Bodo, Fachärztin für Plastische und Ästhetische Chirurgie aus Berlin. „Auch eine Blepharoplastik – die Oberlidstraffung – wird von beiden Geschlechtern gleich häufig gewünscht. Im Laufe des natürlichen Alterungsprozesses lässt überschüssige Haut und ein sich vorwölbendes Fettgewebe am Oberlid die Gesichter müde erscheinen“, erklärt die Ärztin.

 

Dennoch gibt es einige Unterschiede, was mit Botox & Co. erreicht werden soll: Frauen wünschen sich ihre jugendlichen und ebenmäßigen Gesichtszüge zurück. Männer dagegen möchten nicht nur attraktiver, sondern auch dynamischer wirken.

 

Die jüngere Generation geht offener mit dem Thema Selbstoptimierung um

 

In einer Studie der amerikanischen Fachzeitschrift JAMA Facial Plastic Surgery wurden 145 Teilnehmern jeweils verschiedene Bilder von 24 Männern vorgelegt. Unabhängig voneinander sollte die Wirkung der Gesichter beurteilt werden. Das Ergebnis: Männer, die zuvor ästhetische Eingriffe im Gesicht hatten vornehmen lassen, wirkten für die Betrachter männlicher, sympathischer und vertrauenswürdiger. Hier spielt laut VDÄPC-Statistik neben der klassischen Jawline-Konturierung auch die Bekämpfung von tiefen Mimikfalten eine tragende Rolle.

 

Genau mit diesen Wünschen kommen auch die Patienten in die Praxis von Dr. Bodo: „Männer erwarten von diesen Behandlungen, im Job erfolgreicher zu wirken. Gerade in unserer schnelllebigen Gesellschaft wirkt ein Mann mit einem frischen und faltenfreien Gesicht leistungsfähiger als ein müde aussehender Mann.“

 

Generell geht die jüngere Generation offener mit dem Thema Selbstoptimierung um. Nicht selten kommen junge Frauen und Männer mit bearbeiteten eigenen Fotos oder Bildern von erfolgreichen Influencern, Models oder Stars in die Praxen. Diese sollten jedoch jedem seriösen Arzt nur als Inspiration, nicht als Richtlinie dienen.

Juliane Bodo

Dr. Juliane Bodo

Körperoptimierung

 

Früher eine reine Frauendomäne, mittlerweile von immer mehr Männern gewünscht – die Brustoperation. Doch im Gegensatz zu Frauen soll die Brust nicht vergrößert, sondern verkleinert und in Form gebracht werden.

 

Bei der Behandlung der sogenannten Gynäkomastie, einer harmlosen Vergrößerung des Brustdrüsengewebes, wird mittels eines kleinen Schnittes gezielt ein Teil der vergrößerten Brustdrüse entfernt und das Gewebe gestrafft. Liegt eher eine Vermehrung des Fettgewebes (Lipomastie) vor, kann dieses durch eine Fettabsaugung (Liposuktion) entfernt werden.

 

Bei Frauen steigt dagegen die Nachfrage nach Brustvergrößerungen mit Eigenfett. Der Grund könnte der Wunsch nach mehr Natürlichkeit sein. Beim sogenannten Lipofilling wird zunächst Festgewebe an Po, Bauch oder den Oberschenkeln abgesaugt, aufbereitet und dann in das Brustgewebe gespritzt, wo es sich gleichmäßig verteilt.

 

Der ausschlaggebende Vorteil gegenüber Implantaten: Eigenfett ist ein körpereigenes Material, das auch als Bio-Implantat bezeichnet wird. Der Körper wird es daher nicht abstoßen, wie es bei Silikonimplantaten durchaus vorkommen kann. Männer lassen sich mit der Transplantation von Eigenfett übrigens immer häufiger die Waden aufpolstern und formen.

 

„Bei Frauen steigt die Nachfrage nach Brustvergrößerungen mit Eigenfett“

 

Und last but not least reduziert man dank der nötigen Fettabsaugung auch ungeliebte und hartnäckige Fettpölsterchen. Generell steigt die Nachfrage nach Liposuktionen, insbesondere bei Männern. „Während Frauen versuchen, ihre Fettdepots zunächst mit minimalinvasiven Methoden wie zum Beispiel mit der Fett-weg-Spritze oder der Kryolipolyse aufzulösen, streben Männer meist dauerhafte Lösungen an“, erklärt die Fachärztin.

 

Das macht auch dahingehend Sinn, weil für die Fettabsaugung bei Männern aufgrund des größeren Muskelanteils sowie einer anderen Fettverteilung spezielle Technologien eingesetzt werden können: Besonders effizient arbeitet hier die sogenannte „VASER Hi Def 4D“ Liposuktion: Mittels Ultraschallenergie wird dabei störendes Fettgewebe ohne wesentliche Gewebeverletzungen aufgelöst und abgesaugt.

 

Eine weitere Besonderheit: Diese Methode wird zirkulär durchgeführt, das heißt, sie arbeitet sehr fein an der Körperkontur und kann diese nach Wunsch formen. Dies führt zu einer zusätzlichen Betonung von Muskelgruppen, ohne dass dafür große sportliche Anstrengung notwendig ist. Bei Männern äußerst beliebt!

 

Füllmaterial: Eigenhaartransplantation

 

Eine der ästhetischen Operationen, die vorwiegend Männer betrifft, ist die Eigenhaartransplantation. Etwa 80 Prozent aller Männer sind im Laufe ihres Lebens von Haarausfall betroffen, was die Psyche oft stark belastet. Denn nicht nur bei Frauen spielen die Haare eine wichtige Rolle in puncto Selbstbild und Attraktivität. Kein Wunder also, dass es mittlerweile knapp 90 Haartransplantations-Ärzte und -Kliniken in Deutschland gibt, Tendenz steigend.

 

Die Haarverpflanzung ist übrigens eines der wenigen ästhetischen Themen, über die sich Männer austauschen. Zum einen weil es viele Leidensgenossen gibt, zum anderen da die Behandlung relativ risikoarm ist und zufriedenstellende Ergebnisse erzielt. Dr. Juliane Bodo bestätigt: „Aus meiner Praxiserfahrung weiß ich, dass gerade ältere Männer nicht wollen, dass der Freundeskreis oder Arbeitskollegen erfahren, dass ‚Hand angelegt‘ wurde. Frauen sind dagegen recht offen, wenn es um ihre Eingriffe geht.“

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