Die extrazellulären Partikel gelten als Kommunikationsgenies unseres Körpers – und auch als neuestes Anti-Aging-Wundermittel, da sie dazu beitragen, die Zeichen der Hautalterung zu reduzieren
@ MarieAge
Sie gelten als große Hoffnungsträger in der Medizin, um Krankheiten auf die Spur zu kommen, und auch, um sie (besser) heilen zu können. Dabei sind sie selbst nur winzig klein: Exosome – wenige Millionstel Millimeter große Partikel, die für die Kommunikation zwischen den Zellen zuständig und auch als Biomarker-Transporteure unterwegs sind.
Sie wurden erst 1983 entdeckt und fanden bis Anfang der 2000er-Jahre nur wenig Interesse in der Forschung. Dies änderte sich rasant, nachdem mehr und mehr das Potenzial der Winzlinge erkannt wurde. Gab es noch 2006 gerade mal 115 wissenschaftliche Veröffentlichungen zu Exosomen, waren es 2015 bereits über 1000.
Vor allem die Erkenntnis, dass die extrazellulären Vesikel an zahlreichen Mechanismen des Organismus von immunvermittelten Reaktionen bis hin zu Wundheilungsprozessen wesentlich beteiligt sind, sorgt für vielversprechende Forschungsansätze. Die Bandbreite reicht von verbesserter Diagnostik über die regenerative Medizin, bis hin zur Entwicklung von neuartigen Krebstherapien und Impfstoffen. Die größte Hoffnung liegt dabei auf synthetisch hergestellten Exosomen.
In Laborversuchen gelang es damit bereits, die Bildung neuer Blutgefäße zu beschleunigen, was wiederum die Geweberegeneration beispielsweise nach Operationen schneller ablaufen lassen könnte. Ein anderer Versuch ließ Spenderhaut wesentlich rascher verheilen.
Die Exosome aus dem Reagenzglas haben darüber hinaus den Vorteil, dass sie mit weniger Aufwand zu produzieren sind als durch Synthese aus natürlichen Quellen. Außerdem lassen sie sich für Patient:innen je nach Anwendungsfall personalisieren und damit absolut zielgenau einsetzen.
Eigentlich nicht weiter verwunderlich, dass die Faszination für die Einsatzmöglichkeiten der Winzlinge auch schon in der Beauty-Branche angekommen ist. Geht doch der Trend bereits seit geraumer Zeit immer mehr zu körpereigenen Stoffen beziehungsweise Wirkweisen, wenn ein jugendlicheres oder frischeres Hautbild erzielt werden soll.
Auf der diesjährigen IMCAS Paris, einem der weltweit größten und führenden Kongresse im Bereich der plastischen Chirurgie und Dematologie, waren deshalb Exosome der dominierende Gesprächsstoff. „Die sogenannten autologen Exosome stellen ein ganz neues, spannendes Thema dar, in dem enorm viel Potenzial steckt“, konstatiert Dr. Stefan Duve, Facharzt für Dermatologie. Ihre entscheidende Rolle bei der Zell-zu-Zell-Kommunikation und ihre ausgeklügelte Transportfunktion machen sie so interessant.
Denn fast alle Prozesse im Körper erfordern ein koordiniertes Zusammenspiel der Zellen, zum Beispiel um Gewebe und Blutgefäße neu zu bilden oder bei Immunreaktionen zusammenzuarbeiten. „Genau hier kommen Exosome ins Spiel“, erklärt der Dermatologe Dr. Timm Golüke. „Sie transportieren beispielsweise bioaktive Moleküle wie Proteine, Lipide oder Nukleinsäure, die Speicher genetischer Informationen, die für die Koordination von zellulären Prozessen und die Regulation von physiologischen Funktionen im Körper wichtig sind. Auch in der Haut übernehmen Exosome wichtige Aufgaben, vor allem wenn es um die Aufrechterhaltung der Hautgesundheit sowie -funktion geht“, so Golüke.
Und weiter: „Sie übertragen beispielsweise antiinflammatorische Signale, reduzieren dadurch Entzündungen in der Haut und tragen dazu bei, Erkrankungen wie Psoriasis, Akne oder Ekzeme zu lindern“. Des Weiteren sind Exosome – ähnlich wie Stammzellen – Transportmittel für Wachstumsfaktoren, die nicht nur die Kollagenproduktion fördern und dadurch die Hautstruktur verbessern, sondern wie bereits eingangs erwähnt die Heilung von Wunden und die Regeneration von Gewebe anregen.
Und so macht sich jetzt auch die ästhetische Dermatologie diese kleinen Allroundtalente zunutze und setzt auf effektive Treatments. Ganz neu ist die Behandlung mit körpereigenen Exosomen, die Dr. Golüke in seiner Münchner Praxis anbietet. „Ähnlich wie bei der PRP-Behandlung mit Eigenblut wird dem Patienten zunächst Blut abgenommen. Dieses wird zentrifugiert, die Exosome extrahiert und nach einem klassischen Microneedling oder auch einem Radiofrequenz-Microneedling zügig auf die Haut aufgetragen.“
Der Effekt dieses minimal-invasiven Treatments: Einmal in die Haut gebracht, regen sie die natürlichen Regenerationsprozesse des Körpers an und mindern so beispielsweise Sonnenschäden und Zeichen der Hautalterung.
Auch in der Behandlung von Haarausfall kann sich die Wirkkraft von Exosomen bewähren, da sie die Gesundheit der Haarfollikel fördern und das Haarwachstum anregen. Der klare Vorteil zur operativen Haartransplantation: Die Exosomen-Therapie ist noninvasiv und schonend, ohne Schmerzen und längere Ausfallzeiten.
Und wie sieht es mit Exosomen aus dem Cremetopf aus? Hier hat der Facharzt Golüke eine klare Meinung: „Exosome sind kaum haltbar, weswegen sie in einem Kosmetikprodukt nicht lange überleben. Frei verkäufliche Produkte setzen daher auf Exosome auf pflanzlicher Basis, wie zum Beispiel der Rosenstammzelle. Ob diese jedoch effektiv mit der menschlichen Zelle agieren, das bezweifle ich stark.“ Erwiesenermaßen effektive Wirkstoffe – laut den Leitlinien der Gesellschaft für Dermopharmazie e.V. – gibt es bereits.
Erstaunlicherweise sind dies jedoch nicht so viele wie man meinen würde, wenn man vor den prall gefüllten Regalen mit Anti-Aging-Produkten steht. „Als Goldstandard in der Anti-Aging-Kosmetik können ganz klar Retinol oder Retinolabkömmlinge angesehen werden, da sie über ein großes Repertoire verfügen, was Hautschutz und Hautpflege betrifft“, so Dr. Duve.
Retinol sorgt für eine signifikante Erhöhung der Kollagen- und Elastinsynthese, vermindert UV-induzierte Kollagenschäden und reduziert nachweisbar die Faltentiefe. Ein weiterer High-Performer in der Anti-Aging-Kosmetik ist die Hyaluronsäure, Feuchtigkeitsbooster und -speicher in einem und für seinen prallen Soforteffekt bekannt. Vitamin C wiederum kurbelt die Kollagenneubildung an und reduziert Hyperpigmentierungen, Niacinamid erhöht die Hautelastizität und mindert Unreinheiten, Peptide verbessern die Zellneubildung.
Vitamin E schützt die Haut vor freien Radikalen und Fruchtsäuren (AHAs und PHAs) kümmern sich um einen reinen und leicht gestrafften Teint. Neben den bewährten Klassikern gibt es auch ein paar neue Talente, wie zum Beispiel der aus einer Mikroalge gewonnene Stoff Astaxanthin. Dessen antioxidative Wirkung ist 6000 Mal höher als die von Vitamin C und bekämpft daher freie Radikale besonders effektiv.
Das Molekül Ectoin bindet wiederum sehr viel Feuchtigkeit und stabilisiert die Zellen gegen schädliche Umwelteinflüsse. Ähnlich wie bei den Exosomen hält Dr. Duve von pflanzlichen Botox-Alternativen aus Cremetiegeln wenig: „Aus Arztsicht ist dies extrem irreführend. Wirkstoffe in Beauty-Produkten können nie die gleichen glättenden oder aufpolsternden Ergebnisse erzielen wie eine Unterspritzung mit Botulinumtoxin oder Fillern.“