6. Juni 2024

Jana Ackermann

Antientzündliche Ernährung: Was steckt dahinter?

Welche Rolle stille Entzündungen in unserem Körper spielen und wie wir sie mit den richtigen Lebensmitteln reduzieren können

@ Wendy Wei

Von dem Konzept der antientzündlichen Ernährung hört man im Moment immer häufiger. Sie zielt darauf ab, Entzündungen im Körper zu reduzieren, wodurch wir uns gesünder, frischer und jünger fühlen sollen. Die pflanzenbetonte Ernährungsweise ist ähnlich der mediterranen Diät – also mit einem Fokus auf Lebensmittel, die reich an Antioxidantien, Omega-3-Fettsäuren und Ballaststoffen sind, wie Obst, Gemüse, Nüsse, Samen, fettem Fisch und Vollkornprodukten.

 

Gleichzeitig werden entzündungsfördernde Lebensmittel wie Zucker, raffinierte Kohlenhydrate, rotes Fleisch und verarbeitete Lebensmittel möglichst aus dem Speiseplan verbannt. Ziel ist es, das Risiko chronischer Entzündungskrankheiten zu senken und das allgemeine Wohlbefinden zu stärken.

 

Was sind Entzündungen in unserem Körper?

 

Eine sichtbare Entzündung der Haut, wie etwa eine Nagelbettentzündung, Akne oder eine entzündete Schürfwunde, kennen wir alle. “Sie kann mit Rötung, Schwellung, Schmerz, Erwärmung oder Funktionseinschränkung einhergehen”, konstatiert Dr. Anne Gürtler, Hautärztin und Ernährungsmedizinerin an der Universitätsklinik in München. Sie verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, dem man auch auf Instagram unter @dermahealthnutrition folgen kann. “Diese Entzündungsreaktion ist Teil des natürlichen Heilungsprozesses des Körpers und sehr sinnvoll.”

 

Doch auch in unserem Körper können unterschwellige, sogenannte stille Entzündungen vor sich hin schlummern. Über Jahre hinweg können sie unentdeckt bleiben, doch sie sind es, auf die viele chronische Entzündungskrankheiten zurückzuführen sind.

 

“Wenn diese Entzündungsprozesse über einen längeren Zeitraum bestehen, können Sie chronische Erkrankungen, wie etwa eine Arthritis, Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-2-Diabetes, Adipositas oder Psoriasis fördern”, erklärt die Ärztin. Dann würden “silent inflammations” auf einmal sichtbar werden.

 

Shabnam Rebo, die gerade ihr zweites Kochbuch “Healing Kitchen – Quick & Easy” veröffentlicht hat, wurde vor vielen Jahren mit der chronisch-entzündlichen Darmkrankheit Colitis ulcerosa diagnostiziert.

 

In Deutschland leiden laut dem Bundesministerium für Forschung und Bildung etwa 320.000 Menschen an den entzündlichen Darmerkrankungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, bei denen das Immunsystem gesundes Gewebe im Verdauungstrakt angreift. Die Zahl der Betroffenen nimmt in den letzten Jahrzehnten zu, was möglicherweise auch auf veränderte Lebensgewohnheiten zurückzuführen ist.

 

So sinnvoll ist eine entzündungshemmende Ernährung

 

“Im Jahr 2015 hatte ich einen nicht enden wollenden Schub. Die Krankheit hat mich komplett aus meinem Leben gerissen”, erzählt Shabnam Rebo. “Schließlich kam ich darauf, meine Ernährung hin zu pflanzlicher und entzündungshemmender Kost umzustellen.“

 

Auch laut Dr. Gürtler sei eine Anpassung des Lebensstils, dazu gehören Ernährung, Stress, Bewegung und Schlaf, die erste Therapiephase bei vielen Erkrankungen. Bei Rebo stellten sich die ersten positiven Veränderungen bereits nach kurzer Zeit ein und auch Dr. Gürtler bestätigt: “Das Energielevel und der Schlaf werden sich schnell verbessern”.

 

Eine antientzündliche Ernährung empfiehlt sich aber nicht nur für Menschen, die bereits chronisch erkrankt sind. Zahlreiche wissenschaftliche Studien weisen darauf hin, dass eine antiinflammatorische Ernährung das Risiko für chronische Entzündungskrankheiten signifikant senken kann. “Grundsätzlich empfehle ich das Ernährungskonzept jedem, weil es sich um eine allgemein gesundheitsfördernde Ernährungsweise handelt”, rät Dr. Gürtler.

Wie sieht eine antientzündliche Ernährung aus?

 

Das Grundprinzip der antientzündlichen Ernährung sieht vor, so viel wie möglich frische und unverarbeitete Lebensmittel zu essen, bestenfalls mit vielen Pflanzen. “Da tierische Produkte im Verdacht stehen, Entzündungen im Körper auszulösen, ernähre ich mich rein pflanzlich”, ergänzt Kochbuchautorin Shabnam Rebo.

 

 

Der Fokus liegt auf viel frischem Gemüse, insbesondere dunkelgrünen Sorten wie Spinat oder Grünkohl, Obst, Nüssen und Samen, Vollkornprodukten, gesunden Fetten, Gewürzen und Kräutern sowie Probiotika.

 

Da sich 90 Prozent des Immunsystems im Darm befinden, sollte die Darmflora stets in Balance gehalten werden: “Je bunter und vielfältiger wir essen, desto größer ist die Vielfalt der Bakterien im Darm, die wiederum das Immunsystem stärken”.

 

 

Wichtig sind außerdem Omega-3-Fettsäuren, und die kommen u.a. in fettigem Fisch vor. “Hier wissen wir aber inzwischen auch um die Nachteile. Ernährungsphysiologisch ist Fisch deshalb nicht mehr das, was es einmal war”, sagt Dr. Gürtler. Wer auf pflanzliche Quellen ausweichen möchte, kann auf Leinsamen, Chiasamen, Walnüsse, Leinöl oder Algenöl setzen.

 

 

Im Vorratsschrank der “Healing Kitchen”-Autorin finden sich außerdem Hülsenfrüchte wie Kichererbsen oder Linsen, Quinoa, Buchweizen, verschiedene Mehle wie Vollkorn- und Buchweizenmehl, Tofu, Tempeh, pflanzliche Joghurts, Sauerkraut, Kimchi, Nüsse und Nussmus sowie frisches Obst und Gemüse.

 

“Am Ende des Tages ist eine ausgewogene Ernährung ziemlich simpel. Wenn man sich ein paar Grundsätze zu Herzen nimmt, dann kommt man damit bereits richtig weit, ohne sich zu verkopfen”, so die Ernährungsmedizinerin. Der wichtigste Kernaspekt: So viel wie möglich selbst kochen.

 

Welche Lebensmittel fördern Entzündungen?

 

In diesem Sinne ist es eigentlich nichts Neues, dass “ultra prozessierte Nahrungsmittel, raffinierte Kohlenhydrate, alles mit raffiniertem Zucker oder Zuckerersatzstoffen, gesättigte Fette, die oft in tierischen Fetten vorkommen, Eier und Milch, rotes Fleisch und Alkohol” zu den Haupt-Triggern von stillen Entzündungen im Körper zählen.

 

Aber auch hier sind Ausnahmen, die die Lebensfreude steigern, erlaubt. Einige Ernährungsspezialist:innen wie Shabnam Rebo verfolgen daher im Alltag den 80:20-Ansatz, er bedeutet, dass man sich größtenteils (80%) gesund und ausgewogen ernährt, während man sich gelegentlich (20%) auch erlauben kann, weniger gesundheitsfördernde Lebensmittel zu genießen. “Letztendlich ist Ernährung immer individuell und wir sollten nicht zu dogmatisch sein”, ergänzt Dr. Gürtler.

 

Wie schafft man es, sich im Alltag gesünder zu ernähren?

 

Die entzündungshemmende Ernährung entspricht also einem logischen Ernährungskompass, der uns zurück zu den Wurzeln, oder anders gesagt, wieder zu frischen, unverarbeiteten Lebensmitteln führt.

 

Wichtig ist, dass eine Umstellung nicht von heute auf morgen geschehen muss. Laut Ernährungsmedizinerin Dr. Anne Gürtler kommt es mehr auf die langfristige Veränderung an, darum neue Routinen zu schaffen, die sich irgendwann ganz selbstverständlich anfühlen.

 

Ihr Tipp: “Was ich sehr hilfreich finde, ist, sich eine Umstellung pro Monat vorzunehmen, das sind dann zwölf neue Gewohnheiten pro Jahr.” Konkret könnte das so aussehen: Im ersten Monat packt man mehr pflanzliches Protein in die Ernährung, im nächsten nimmt man sich vor, weniger raffinierten Zucker zu essen, dann mehr selbst zu kochen und so weiter.

 

Shabnam Rebo ergänzt: “Wenn wir ein Bewusstsein für Reaktionen von Lebensmitteln im Körper schaffen, merkt man irgendwann immer besser, was uns guttut und was nicht.“ Und genau so ist es auch im Zusammenspiel mit Schlaf, Bewegung oder Stress – sie beeinflussen neben der Ernährung ebenso, wie erholt, frisch und fit wir uns fühlen.

 

 

Rezepttipp

 

Gerösteter Brokkoli-Caesar-Salat aus dem Kochbuch „Healing Kitchen – Quick & Easy“ der Münchner Influencerin Shabnam Rebo

 

Brokkoli ist ganz weit oben auf der Superfood-Skala! Gut fürs Immunsystem und so lecker. Am liebsten bereite ich ihn im Ofen zu. Ganz simpel mit etwas Olivenöl, Zitrone, Knoblauch, Salz und Pfeffer. Dann zu Quinoa, Vollkornreis oder -nudeln oder als Füllung für Tacos oder Wraps genießen. Eine leckere Sauce und ein paar Toppings dazu – enjoy! Diesmal ist Brokkoli auf einem Ceasar Salat gelandet und schmeckt auch so vorzüglich!

 

FÜR 2–3 PERSONEN

400 g Brokkoli
2 EL Olivenöl
2 TL Za’atar
Salz und Pfeffer
1 Dose Kichererbsen (240 g Abtropfgewicht)
1 ½ TL edelsüßes Paprikapulver

100 g Romanasalat

 

 

1 Rezept veganes Caesar-Dressing

 

ERGIBT 400 ML

 

6 EL Sonnenblumenkerne (50 g)

4 EL Hanfsamen (40 g)
6 EL Hefeflocken (15 g)
1 Knoblauchzehe
60 ml Zitronensaft
2 EL Apfelessig
1–2 TL Ahornsirup
1 EL Olivenöl (nach Belieben) Salz und Pfeffer (nach Belieben)

 

 

Den Backofen auf 180 °C vorheizen. Den Brokkoli putzen, waschen und in Röschen teilen, dabei etwas vom Strunk dranlassen. Den restlichen Strunk schälen und in Stifte schneiden. Brokkoli auf einer Seite des Backblechs verteilen, mit 1 EL Olivenöl, Za’atar, Salz und Pfeffer mischen.

 

Die Kichererbsen in ein Sieb abgießen, abspülen und abtropfen lassen, dann auf der freien Backblechhälfte verteilen und mit restlichem Olivenöl (1  EL), Paprikapulver, Salz und Pfeffer mischen. Brokkoli und Kichererbsen im Ofen (Mitte) 20 Minuten rösten. Inzwischen den Romanasalat putzen, waschen, trocken schleudern, in größere Stücke schneiden und auf einen Teller legen.

 

Alle Zutaten für das Dressing zusammen mit 150 ml Wasser in einen Standmixer oder in einen hohen Rührbecher geben und im Mixer oder mit dem Stabmixer fein pürieren.

 

Brokkoli und Kichererbsen darauf verteilen und großzügig mit dem Dressing beträufeln.

 

Brokkoli zählt zu den Kreuzblütlern und die sind eine wahre Wunderwaffe gegen Entzündungen. Vitamin C und Senföl-Glycoside, die unter dem Einfluss des Enzyms Myrosinase in das Senföl Sulforaphan umgewandelt werden, hemmen Entzündungen in Magen und Darm, senken den Blutzuckerspiegel und sollen sogar vor der Entstehung von Krebs schützen.

 

 

 

 

 

 

 

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