16. Januar 2025
Christine Bürg
Wenn der Lichtmangel aufs Gemüt schlägt: Was sind die Symptome von Winterdepressionen und wie kann man das Wintertief behandeln?
@ Freepik
Wie wichtig Licht für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit ist, spüren wir in erster Linie dann, wenn es uns fehlt – im Herbst und Winter, wenn die Tage kurz und die Nächte lang sind, die Sonne selten scheint und der Himmel oft tagelang verhangen ist.
Bei rund 20 Prozent der Deutschen schlägt dieser Lichtmangel aufs Gemüt: Sie kommen schlecht drauf, werden melancholisch und ziehen sich zurück. Dieses Stimmungstief, auch Winterblues genannt, ist zwar nervig und unangenehm, aber zum Glück harmlos.
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Ganz anders die Winterdepression, die im Fachjargon Seasonal Affective Disorder (SAD) genannt wird und bei circa zwei Prozent der Bevölkerung auftritt. Woran man sie erkennt? Man fühlt sich – oft über Wochen – antriebslos und innerlich leer, ist permanent müde und erschöpft und das, obwohl man viel mehr schläft.
Während man bei einer klassischen Depression Schlafprobleme und keinen Appetit hat, könnte man bei einer Winterdepression ständig schlafen und leidet unter Heißhungerattacken. „Man spricht auch von a-typischen Symptomen“, so Prof. Dr. Andreas Menke, Ärztlicher Direktor vom nMedical Park Chiemseeblick, Fachklinik für Psychosomatik und Psychotherapie.
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Welche Behandlung die richtige ist, hängt von der Ausprägung ab und davon, wie sehr die Depression den Alltag beeinflusst: „Wer sich nicht oder nur schwer konzentrieren kann, Probleme mit der Merkfähigkeit hat, womöglich aus Erschöpfung nicht mehr arbeiten kann, sich sozial zurückzieht und die Zeit fast nur noch im Bett verbringt, sollte dringend zum Arzt gehen. Dieser entscheidet, welche Maßnahmen die richtigen sind“, so der Appell von Prof. Dr. Menke.
Doch wie bzw. weshalb entwickelt sich eine (Winter)Depression? „Es gibt eine gewissen Heritabilität (genetische Veranlagung)“, so der Experte, „diese liegt bei ca. 40 Prozent. Die restlichen 60 Prozent werden durch äußere Faktoren verursacht, bei der Winterdepression ist es das mangelnde Licht. Es bewirkt, dass das Stresshormonsystem und das Immunsystem aus der Balance geraten.“
@ Timotej Nagy
Bei einer schweren Ausprägung brauchen die Betroffenen Psychopharmaka und Psychotherapie. Beide werden vom Arzt verschrieben. Das Gute bei einer Winterdepression: Gut behandelt, vergeht sie im Frühjahr wieder.
Eine gängige Methode ist die Lichttherapie. Mit sogenannten Lichtlampen wird der Mangel an (Sonnen)Licht ausgeglichen. Die Geräte strahlen sehr helles, weißes Licht aus (etwa 100-mal stärker als eine herkömmliche Glühbirne).
Mit 6.500 Kelvin und einer Stärke von rund 10.000 Lux entspricht es dem natürlichen Tageslicht. Menschen, die an einer Herbst-Winter-Depression leiden, wird zur Therapieunterstützung eine 30-minütige Lichtdusche empfohlen.
Direkt nach dem Aufwachen soll sie die Melatoninausschüttung stoppen (Melatonin wird umgangsprachlich auch Schlafhormon genannt) und die Produktion des Serotonins ankurbeln – jenes Hormons, das Glücksgefühle auslöst und die Laune hebt.
Da diese Therapie unschädlich ist, eignet sie sich auch für Menschen, die nur unter Winterblues leiden – oder zur Prophylaxe.
Hilfreich sind auch sogenannte DiGAs (digitale Gesundheitsanwendungen), die jeder Arzt verschreiben kann, deprexis zum Beispiel. Diese Apps arbeiten mit verschiedenen Therapie-Elementen.
Durch die sogenannte Psychoedukation, also Wissensvermittlung, lernen die Betroffenen alles über ihre Erkrankung. Die Idee: Je mehr sie darüber wissen, desto besser können sie damit umgehen, desto schneller kommen sie wieder aus dem Tief raus und desto gewappneter sind sie vor einem Rückfall.
Die zweite Säule sind verhaltenstherapeutische Interventionen, also der Ansporn rauszugehen und Freunde zu treffen, aber auch kognitive Umstrukturierungen, sprich: die negativen Gedanken umzuwandeln.
Die sogeannten Monitoring-Elemente wiederum helfen dabei, den Verlauf der Erkrankung durch Charts zu visualisieren, um selbst einschätzen zu können, wie es einem gerade geht.
Achtsamkeits– und Entspannungsverfahren wie die progressive Muskelentspannung und vor allem Sport – am besten an der frischen Luft – sind extrem wichtig, um seine Balance wieder zu finden.
Gute-Laune-Nahrungsmittel essen. In Kürbis, Eiern, Hülsenfrüchten, Nüssen, Haferflocken und Fisch beispielsweise ist Tryptophan enthalten, das dem Körper hilft, das Glückshormon Serotonin zu bilden.
In die Natur gehen. Vor allem Waldbaden wird von Experten wie Prof. Dr. Menke empfohlen: „Es senkt den Cortisolspiegel, den Blutdruck und den Puls.“
Eine gute Nachricht zum Schluss: Da es sich bei einer Winterdepression um eine saisonale Depression handelt, vergeht sie im Frühjahr glücklicherweise wieder. Bis dahin jedoch ist es wichtig, professionelle Hilfe anzunehmen und alles dafür zu tun, um die schönen Seiten des Winters genießen zu können!
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