16. März 2023

Christine Bürg

Von Microgreen bis Vegourmet: 5 Food-Trends

Was ernährt uns morgen? Was sollten wir schon heute essen? – Der Natur und unserer Gesundheit zuliebe. Ein Blick in die Kochtöpfe der Trendsetter

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Wie sieht gesunde Ernährung in Zukunft aus? 5 nachhaltige Food-Trends, die Sie jetzt kennen sollten

 

Egal ob es um Nahrungsmittel geht, die gerade angesagt sind, um die Sternegastronomie oder unsere Ernährungsgewohnheiten: Nachhaltigkeit ist auch beim Essen das Schlüsselwort der Zukunft und treibt Innovationen voran, die nicht nur unserer Gesundheit guttun, sondern auch der Umwelt. Das jedenfalls sagt das Frankfurter Zukunftsinstitut voraus, das gemeinsam mit der renommierten österreichischen Ernährungswissenschaftlerin Hanni Rützler gerade den zehnten Food Report herausgebracht hat. Doch wie werden wir uns in Zukunft ernähren? Und was sind die kleineren und großen Food- und Ernährungstendenzen für die nächsten Jahre? Ein Überblick:

1. Plantbased Food

 

Immer mehr Menschen essen immer weniger Fleisch – in Deutschland und europaweit. Während sich rund zehn Prozent der Deutschen mittlerweile vegetarisch ernähren und zwei Prozent vegan, bezeichnen sich mehr als die Hälfte als Flexitarier, das heißt, sie essen nur noch selten Fleisch oder nur qualitativ hochwertiges. Tendenz steigend. Kein Wunder also, dass der Verkauf von Gemüse und pflanzlichen Milchalternativen steigt und es ein immer größeres Angebot an Fleischalternativen und Eiweißersatzprodukten gibt.

 

Diese werden aus Pflanzen(eiweiß), Pilzen und Insekten hergestellt sowie aus kultivierten tierischen Zellen gewonnen. Das Erfreuliche daran: Die vegan-vegetarischen Burger, Würstchen und Steaks, die in den Supermarktregalen zu finden sind, werden zunehmend besser und kommen dem Original in Konsistenz und Geschmack immer näher. Bestes Beispiel ist „Boonian“ aus westeuropäischem Soja-, Erbsen- oder Favebohneneiweiß, das es als sogenannte Medaillons, Crumbles, Chunks oder Stripes gibt und so gut ist, dass selbst Gourmets keinen Unterschied zu Rindfleisch herausschmecken können. Und das, obwohl die Produkte des innovativen Münchner Unternehmens keinerlei Zusatzstoffe oder Geschmacksverstärker enthalten, also zu 100 Prozent natürlich sind.

 

Doch woher kommt der Trend zum Ersatzfleisch? Die Gründe sind vielfältig. Während junge Leute in erster Linie aus ethischen Gründen – Stichwort Massentierhaltung – auf Fleisch oder Fisch verzichten, spielen immer häufiger auch gesundheitliche Aspekte und der Umweltschutz eine Rolle. Vegane Burger sind cholesterinfrei, kalorien- und fettärmer als klassische Burger, viele pflanzliche Lebensmittel hinterlassen einen geringeren CO2-Abdruck als Fleisch (vor allem Lamm und Rind) und Milchprodukte (allen voran Butter). Deshalb greifen auch immer mehr Menschen zu pflanzlichen Alternativen. Neben dem Klassiker Tofu auch zu Seitan, das, im Gegensatz zu Tofu, eine fleischähnliche Konsistenz hat. Nachteil: Da es aus Weizeneiweiß hergestellt wird, ist es für Menschen mit Glutenunverträglichkeit keine Option.

 

Anders die Jackfrucht, die in den vergangenen Jahren immer beliebter wurde. Durch das Garen wird das Fruchtfleisch der ungewöhnlich großen Frucht – sie kann bis zu einem Meter lang und 50 Kilogramm schwer werden – faserig und erinnert von der Konsistenz und Farbe an Hähnchenfleisch. Sie ist kalorienarm und nährstoffhaltig, eignet sich jedoch nicht als Eiweißlieferant. Außerdem kommt sie aus den Tropen. Ihr Transport zu uns verursacht einen enormen CO2-Ausstoß.

 

Dies ist mit ein Grund, weshalb immer mehr Menschen heimisches Gemüse bevorzugen. Allen voran Grünkern und Haferflocken, Lupinensamen, Soja und Kichererbsen. Letztere werden aufgrund der hohen Nachfrage mittlerweile auch hierzulande angebaut. Die Münchner Bauerngenossenschaft in Feldmoching beispielsweise hat in diesem Jahr einen Feldversuch gestartet und ist aufgrund des warmen und trockenen Sommers optimistisch, dass die erste Ernte gut ausfallen wird.

 

2. Das Comeback der regionalen Produkte

 

Wenn man bedenkt, dass ein Lebensmittel im Durchschnitt 3.500 Kilometer zurücklegt, ehe es auf unserem Teller landet, und es durch die Corona-Pandemie und den Ukraine-Krieg zu Lieferengpässen kam, macht es heute mehr denn je Sinn, verstärkt auf regionale Produkte zu setzen. Ein Trend, der sich bereits seit Längerem abzeichnet, jetzt aber zum neuen Normal wird – bei den Verbrauchern und der Gastronomie, dem Handel und der Landwirtschaft.

„Ein Lebensmittel legt im Durchschnitt 3.500 Kilometer zurück, ehe es auf unserem Teller landet”

Wer übers Land fährt, sieht sie überall – Hofläden, die frisches Obst und Gemüse direkt vom Bauernhof verkaufen. Auch in der Stadt gibt es immer mehr Läden und Supermärkte, die regionale Lebensmittel anbieten. Da heute aber niemand mehr auf exotische Lebensmittel und neue Geschmackserlebnisse verzichten möchte, boomt auch der Markt mit Local Exotics. Reis wird neuerdings im österreichischen Burgenland angebaut, Linsen im hessischen Friedberg, Melonen in Niederösterreich und Papaya, Guave und Maracuja im fränkischen Tettau.
Auch die Münchner Bauerngenossenschaft passt sich der wachsenden Nachfrage an. Hier gibt es bereits seit Jahren bayerische Süßkartoffeln und heimische Quinoa. Letztere zählt übrigens zu den begehrten Superfoods.

 

3. Vegourmets

 

Auch Sterne- und Hauben-Köche haben Gemüse für sich entdeckt. Sie zaubern daraus Gerichte, die mit jedem Gourmet-Filet mithalten können und auch eingefleischte Schnitzel-Liebhaber:innen begeistern. Der Schweizer Starkoch Daniel Humm beispielsweise hat seine Speisekarte komplett umgestellt und serviert im New Yorker Restaurant Madison Park seit rund einem Jahr ausschließlich vegane Menüs. Die französische Koch-Legende Alain Ducasse eröffnete in Paris ein zu 95 Prozent veganes Restaurant und betreibt nahe des Musée d’Orsay einen vegetarischen Pop-up-Burger-Stand.

 

Als Pionier der feinen Gemüseküche gilt Paul Ivić, Küchenchef im Wiener Restaurant Tian. Er kocht bereits seit über zehn Jahren rein vegetarisch. Seine Philosophie: kein Verzicht, sondern smarter Umgang mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln; wissen, woher die Zutaten kommen, und nichts verschwenden. No Waste lautet eine seiner Devisen, was bedeutet, dass er alles verwendet – von der Wurzel über die Schale bis hin zum Kern. Und so findet man in seinem jüngsten Kochbuch Restlos glücklich (Brandstätter Verlag, 30 Euro) auch ein Rezept für Salat aus Kohlrabiblättern, eine Blumenkohlblätter-Salsa oder Pesto aus Karottengrün; trockenes Brot wird zur Suppe, und Obstreste verleihen Essig das Aroma. Auch fast vergessene Gemüse-, Obst- und Getreidesorten wie Topinambur und Buchweizen werden von den Spitzengastronomen wieder ausgegraben, die daraus immer neue raffinierte Kreationen bereiten.

 

So viel Engagement und Kreativität werden neuerdings auch vom Guide Michelin gewürdigt. Er führte vor drei Jahren den Grünen Stern ein. Damit werden Restaurants ausgezeichnet, die regionale und saisonale Produkte verwenden, biologisch-ökologische Aspekte berücksichtigen, lange Transportwege vermeiden, auf artgerechte Tierhaltung achten, Energie einsparen, Lebensmittelabfälle reduzieren und sich beim Thema Nachhaltigkeit besonders hervortun.

No Waste! Was bedeutet, dass alles verwendet wird – von der Wurzel bis hin zum Kern“

4. Traditionelle Gerichte werden vegan

 

„Veganizing Recipes“ nennt der Food Report die Entwicklung, alt bekannte Gerichte in Zukunft vegan zu interpretieren und sie als gleichwertige Alternative anzusehen. Gerade die traditionelle deutsche, österreichische und Schweizer Küche basiert stark auf Fleisch und Wurst, Eier-, Milch- und Käseprodukten. Dabei müssen die Zutaten nicht immer durch Ersatzprodukte getauscht werden, manchmal können sie auch mit Pilzen, Kräutern oder Hülsenfrüchten adaptiert werden. Befeuert wird dieser Trend noch durch Food-Blogger:innen, die über Social-Media-Kanäle zu Superstars avancieren.

 

Den umgekehrten Weg geht die österreichische Kochbuchautorin Katharina Seiser. Sie hat sich auf der ganzen Welt auf die Suche nach traditionellen Speisen gemacht, die immer schon vegan waren – darunter libanesischer Brotsalat, italienische Focaccia und österreichisches Kletzenbrot –, und in Immer wieder vegan (Brandstätter Verlag, 28 Euro) zusammengetragen.

 

 

5. Heimisches Superfood

 

Avocados und Spirulina-Algen, Quinoa und Chia-Samen, Goji-Beeren und Acerola – in den vergangenen Jahren wurden immer wieder neue Gemüse und Früchte, Getreide und Gewürze zu neuen Superfoods gekürt und erlebten einen – mehr oder weniger kurzfristigen – Hype. Die meisten von ihnen stammen aus fernen Ländern, sind ökologisch also höchst fragwürdig. Beispiel Avocado: Deutschland führte 2020 mehr als viermal so viele Früchte ein wie neun Jahre zuvor, vorzugsweise aus Mexiko und Südamerika. Für den Anbau eines Kilogramms braucht es mehr als 1.000 Liter Wasser, für Tomaten im Vergleich nur rund 200 Liter. So gut die exotischen Beeren (ja, Avocado ist eine Beere) also schmecken und so gesund sie auch sind – für Menschen mit grünem Gewissen sind sie im Grunde tabu.

 

Folgerichtig wird auch hier nach heimischen Alternativen gefahndet. Oft findet man sie im eigenen Garten. Schwarze Johannisbeeren oder Brombeeren beispielsweise – eine Alternative zu Goji-Beeren – sind Vitamin-C-Bomben, ihr dunkler Farbstoff hemmt außerdem das Wachstum von Viren, Pilzen und Bakterien. Die Pflanzenfarbstoffe Anthocyane in Heidelbeeren, blauen Trauben oder Rotkohl (statt Açai-Beeren) wirken wie ein natürliches Antioxidans. Grünes Gemüse wie Brokkoli, Spinat oder Grünkohl enthält wie Weizengras Chlorophyll, das entgiftend wirkt und die Darmflora unterstützt, außerdem Vitamine, Mineralstoffe und Ballaststoffe. Walnüsse gelten aufgrund ihres hohen Gehalts an ungesättigten Fettsäuren als wertvolle Alternative zu Avocados. Leinsamen (statt Chia-Samen) steckt voller Ballaststoffe, Eiweiß und Omega-3-Fettsäuren. Löwenzahntee (statt Matcha-Pulver) regt die Verdauung an und wirkt blutdrucksenkend.

 

Auch Microgreens sind gerade in aller Munde. Keine Bowl, auf denen die Pflanzenkeimlinge als Topping fehlen. Micro beschreibt die Größe der Pflanzen zur Erntezeit, Greens die Palette an Gemüsepflanzen, Kultur-und Wildkräutern, die verwendet werden können (u.a. Brunnenkresse, Senf, Amaranth, Fenchel, Rauke und Schnittsalate). Die Keimlinge werden geerntet, wenn sie nur wenige Tage alt sind, und frisch verzehrt. Die Idee: Sie enthalten all das, was die Pflanzen benötigen, um groß zu werden, in geballter Ladung, sodass ihr Gehalt an Vitaminen, Nähr- und Mineralstoffen wesentlich höher ist als in der gleichen Menge des ausgewachsenen Gemüses. Dazu gehören Vitamin C (gut für Immunabwehr), B-Vitamine (für die Nerven) sowie Vitamin A (für Haut und Augen). Außer- dem Mineralstoffe wie Calcium, Eisen und entzündungshemmendes Zink und Spurenelemente, sekundäre Pflanzenstoffe und Aminosäuren.

 

Weiterer Vorteil: Sie brauchen nur wenig Platz und Pflege, meist reicht eine Schale oder ein kleiner Blumenkasten auf der Fensterbank, um die Energiespender heranzuziehen. Aber Ernährungsexpert:innen warnen: Auch wenn Microgreens viele Vitamine liefern, sie sind kein Ersatz für ausgewachsenes Gemüse, weil man schlichtweg nur Miniportionen davon isst.

Christine Bürg

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